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Xeelee 5: Vakuum-Diagramme

Xeelee 5: Vakuum-Diagramme

Titel: Xeelee 5: Vakuum-Diagramme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Frage, dass Sie ein Mensch sind… zumal wir alle bis zu einem gewissen Grad über Ihre Fähigkeit – die quantenmechanische Perspektive – verfügen. Wussten Sie schon, dass ein an die Dunkelheit angepasstes Auge sogar in der Lage ist, ohne optische Verstärker ein einzelnes Photon zu erkennen? Auch ohne Hilfsmittel vermögen menschliche Sinne Ereignisse auf der Quantenebene wahrzunehmen. Es wird sogar spekuliert, das Bewusstsein an sich sei ein Quanten-Prozess… Was Sie auszeichnet, ist das besonders stark ausgeprägte Talent. Der Rest von uns lebt hier in der Makro-Welt, diesem geschönten Modell der Wahrheit. Manchmal gelingt es einem jedoch, hinter all die Näherungen und Trugbilder zu blicken, und dann scheint man in der Lage zu sein, bis auf die fundamentale Ebene der Quantenwellen-Funktionen zu schauen. Sehen Sie, Paul«, sagte Green eindringlich, »in Tafts Universum wird ein Meteorit mit Sicherheit am Würfel zerschellen. In Ihrem Universum gibt es jedoch keine Sicherheiten.«
    Paul wand sich unbehaglich. »Ich mag Unsicherheiten nicht, Commander. Ich fürchte mich vor ihnen. Ich kenne nicht einmal meinen Namen.«
    Green packte ihn an den Schultern. »Paul, Sie sind ein Rätsel für uns alle. Das will ich Ihnen nicht verhehlen. Aber die Teile des Puzzles müssen zusammengefügt werden. Es muss ein Zusammenhang hergestellt werden zwischen dem, woher Sie kommen und dem, was Sie sind. Indem Sie diesen Auftrag ausführen, indem Sie Ihr Talent bis an die äußersten Grenzen ausreizen, werden Sie nicht nur herausfinden, was die Xeelee im Innern des Zuckerwürfels vorhaben, sondern noch viel mehr. Ich glaube, Sie werden sich selbst finden.«
    Paul schauderte. Er versuchte sich auf die Gurte um die Taille zu konzentrieren, auf die starken Hände auf seinen Schultern.
    »Genau«, sagte Taft mit einem gehässigen Unterton. »Vielleicht werden Sie auch herausfinden, dass Sie nur ein Vakuum-Diagramm sind. Was sagen Sie dazu, Paul, hä?«
    »Ein was?«
    »Schnauze, Taft!«
    »Kommen Sie, Commander. Wenn wir hier schon Nachhilfe geben, dann richtig.« Taft baute sich mit einem fiesen Grinsen vor Paul auf. »Sie sagten, Sie wollten Paul zur Spline-Flotte hinaufschicken, damit er einen Schnellkurs in Menschsein durchläuft. Was haben Sie denn so drauf in Quantenphysik, Paul?«, fragte er gehässig. »Erinnern Sie sich an Feynman-Diagramme? Diese bunten Bildchen, die das Zusammenspiel, das Werden und Vergehen von Teilchen zeigen?«
    »Taft…«, knurrte Green.
    »Ich will Ihnen die Interaktion mal an einem kleinen Beispiel veranschaulichen. Aus dem Nichts entstehen drei Partikel – ein Pion, ein Proton und ein Antineutron. Das stellt zwar eine Verletzung des Energieerhaltungssatzes dar, doch da sei die Unschärferelation vor, die besagt, nichts im Universum sei absolut. Ich vermute, das Konzept wollte dieser Leichtmatrose uns gerade auftischen. Und dann wird das Diagramm vergrößert. Die drei Teilchen fügen sich wieder zusammen – sie tauchen im Vakuum unter, und der Energieerhaltungssatz wird bestätigt. Noch mal aus der Affäre gezogen, was?
    Von wegen! Das Antineutron geht nämlich aus diesem finalen Zusammenstoß unbeschadet hervor – und bewegt sich in der Zeit zurück, wo es die Entstehung der anderen Teilchen erst initiiert! Ist das bizarr genug für Sie? Also ist dieses spezielle Feynman-Bild eine geschlossene Schleife. Ein Vakuum-Diagramm. Die Teilchen entstehen aus dem Nichts und lösen sich wieder in nichts auf.« Er grinste. »Wir sind hier, weil wir hier sind weil…«
    Green hob seinen starken uniformierten Arm, schob Taft wie eine Schaufensterpuppe weg und murmelte etwas, das Paul nicht verstand.
    Paul schloss die Augen und wünschte sich, das unbegreifliche Universum würde in dem Vakuum verschwinden, dem es entsprungen war.
    * * *
    Die näher kommende Kante zog sich wie eine Klinge über die Sterne. Die Seilbahn erklomm die Neunzig-Grad-Steigung immer langsamer und kam schließlich hundert Meter vor dem Rand zum Stillstand. »Kommen Sie, Paul«, sagte Green. »Den Rest der Strecke gehen wir zu Fuß.« Er half Paul beim Anlegen eines leichten einteiligen Druckanzugs. »Vorsicht beim Gehen. Bedenken Sie, dass wir nun viel weiter vom Schwerpunkt des Würfels entfernt sind. Die Gravitation ist nur noch halb so hoch wie in der Stadt.«
    Paul stieg aus der membranartigen Luftschleuse der Kabine. Ein Geländer verlief ein paar Meter entfernt über die Oberfläche. Paul stolperte darauf zu. Die scheinbare

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