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Xeelee 5: Vakuum-Diagramme

Xeelee 5: Vakuum-Diagramme

Titel: Xeelee 5: Vakuum-Diagramme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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das Sternenlicht durchschien und die runden Blätter des Baums umspielte. Er tastete sich mit beiden Händen am nächsten Ast entlang und spürte das leise Zittern der dünnen Holzschicht. Sogar hier, am Ansatz der Äste, spürte er die Nervosität und Unsicherheit des Baums.
    Zwei Einflussgrößen wirkten auf den Baum: Einmal versuchte er der tödlichen Gravitationsquelle des Sterns auszuweichen, zum andern floh er vor dem Schatten der Rauchwolke, wodurch er wieder auf die Gravitationsquelle zugetrieben wurde. Es bedurfte eines geschickten Flößers, um diese beiden Faktoren auszutarieren, damit der Baum sich in der optimalen Entfernung in einem dynamischen Gleichgewicht befand.
    Nun stemmten die rotierenden Zweige des Baums sich gegen die Luft, und er stieg ruckartig einen Meter auf. Fast wäre Pallis abgeschüttelt worden. Ein Schwarm von Skitters taumelte aus dem Laubwerk; die kleinen radförmigen Wesen umschwirrten sein Gesicht und die Arme, während sie sich wieder in den Schutz des Baums zurückzuziehen versuchten.
    Zum Teufel mit diesem Bengel!
    Er hangelte sich durchs Blattwerk zur Oberseite des Baums. Die löchrige Decke aus Rauch und Dampf hing ein paar Meter über seinem Kopf und war durch Rauchfäden lose mit den Ästen verbunden. Er sah, dass das feuchte Holz in mindestens der Hälfte der an den Ästen angebrachten Feuerkessel verbraucht war. Und Gover, sein so genannter Assistent, war nirgends zu sehen.
    »Gover, bei den leibhaftigen Boneys, wo steckst du?«
    Ein schmales Gesicht erschien über einem der Kessel am Rand des Baums. Gover befreite sich aus einem Gewirr von Blättern und trippelte über die Plattform aus Laub. Ein Paket baumelte an seinem schmalen Rücken. Er fuhr sich mit der Hand über den Nasenrücken, verformte dabei die Nasenlöcher, und als er die Hand wieder wegnahm, glitzerte sie feucht. »Ich war schon fertig«, nuschelte er.
    Pallis tippte mit dem Finger auf Govers Paket. »Du trägst noch immer die Hälfte des Holzvorrats mit dir herum. Die Feuer erlöschen. Und sieh dir nur die Rauchwand an. Löchriger als ein Schweizer Käse. Mein Baum weiß nicht wohin wegen dir. Fühlst du nicht, wie er zittert?«
    Hastig zog Gover sich zum nächsten Kessel hinauf und zog Holz aus dem Bündel. Bald stopften frische Rauchschwaden die Löcher in der Wolke, und das Zittern des Baums ebbte ab.
    Pallis konnte kaum an sich halten, als er sah, wie ungeschickt der Junge sich anstellte. Gewiss, er hatte sich auch in der Vergangenheit mit schlechten Assistenten abplagen müssen, aber in den guten alten Zeiten waren die meisten bereit gewesen, zu lernen, hatten sich wenigstens bemüht. Und mit der Zeit, je mehr harte Schichten sie hinter sich gebracht hatten, waren jene jungen Leute zu verantwortungsbewussten Männern und Frauen gereift, deren Geist genauso gestählt war wie der Körper.
    Dieses Durchhaltevermögen suchte er bei der neuen Generation vergeblich.
    Das war bereits sein dritter Flug mit dem jungen Gover. Und der Kerl war noch immer so mürrisch und störrisch wie beim ersten Einsatz auf den Bäumen; Pallis konnte es kaum erwarten, ihn nach der Rückkehr zum Floß der Wissenschaft zu überstellen.
    Seine Augen suchten ruhelos den roten Himmel ab.
    Die Luft des Nebels war wie immer blutrot gefleckt. In einem Winkel des Bewusstseins versuchte er diese Röte zu messen – hatte sie sich im Vergleich zur letzten Schicht etwa vertieft? –, während er den Blick über die Objekte schweifen ließ, die im Nebel über und unter ihm verstreut waren. Die Wolken glichen grauen Lumpen, die sich meilenweit durch die Luft zogen. Sterne fielen in einem langsamen, stetigen Regen zwischen den Wolken und durch sie hindurch zum Kern. Es war, als ob er in einer großen Wolke aus Licht schwebte; die Stern-Sphären wurden mit zunehmender Entfernung zu Lichtpunkten und verwandelten den Himmel in einen rot-gelb glühenden Vorhang. Die fallenden Sterne sahen aus wie ein Haufen Nadelspitzen, die in den Weiten entschwanden; die Tiefen des Nebels, weit unter ihm gelegen, waren eine dunkelrote Sinkgrube.
    Das Licht der Meilen durchmessenden Sterne zeichnete wandernde Schatten auf die Wolken, die verstreuten Bäume und die großen Schemen, bei denen es sich vielleicht tun Wale handelte. Hie und da sah er einen kleinen Blitz, der das Ende der kurzen Existenz eines Sterns markierte…
    Die Welt um Pallis hatte sich verändert. Der Nebel schien zu gerinnen. Der klare blaue Himmel und die kühlen Brisen waren nur noch

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