Yakuza-Rache
sehen gewesen.
Ich stand an einem Platz, von dem aus ich hätte in das Wasser der Themse spucken können. Der Strom wälzte sich durch das Bett. Ich hörte die klatschenden Geräusche, der Wind wehte gegen mein Gesicht, hinter mir rollte der nächtliche Verkehr, ich aber war eingehüllt in ein inselhaftes Dasein.
Dieses Gefühl konnte ich schlecht erklären. Es war einfach vorhanden, eine Mischung aus Warnung und Gespanntheit. Die beiden Gestalten innerhalb des Kreises waren nicht grundlos aufgetaucht, vielleicht hatten sie sich als erste Warnung gezeigt, um irgendwann wieder zu erscheinen. Wer konnte das wissen?
Natürlich wollte ich herausfinden, ob eines der Fahrzeuge von der Brücke her einen ungewöhnlichen Weg nahm. Dann wäre ich davon ausgegangen, daß Suko…
Meine Gedanken stoppten von allein. Etwas stimmte nicht, ich spürte es genau.
Steif blieb ich stehen. Bisher war ich mir ziemlich allein vorgekommen, das hatte sich nun geändert. Jemand mußte sich in meiner Nähe befinden, eine Person, die ich bisher noch nicht zu Gesicht bekommen hatte. Wo sie sich aufhielt, konnte ich nicht feststellen und wußte auch nicht, ob es sich dabei um einen Menschen handelte. Es war ein Mensch, denn ich hörte eine weibliche Stimme, die mir eine Frage stellte. »Warten Sie auch auf die Samurai?«
Ich flirrte nicht herum, überlegte mir die Antwort und sprach ins Leere hinein. »Wie meinen Sie das?«
»Sie müssen sie gesehen haben.« Nach diesen Worten vernahm ich die Schritte, die auf mich zukamen.
Jetzt erst drehte ich mich.
Die Frau war kleiner als ich, vom Körperbau her zierlich zu nennen! Sie trug dunkle Kleidung, auch das Stirnband, das ihre lange Haare festhielt, war dunkel.
Im ersten Moment hatte ich an Shao gedacht, dann fiel mir auf, daß ihr Gesicht japanische Züge besaß, im Gegensatz zu dem der Chinesin Shao. Die Frau bewegte sich kraftvoll und grazil, wobei die enge Kleidung mit ihrem Körper verwachsen zu sein schien. Sie trug einen dunklen, sehr breiten Gürtel, der nicht zu ihr passen wollte. Sicherlich hatte sie einen Grund gehabt, um ihn umzuschnallen. Ich nickte ihr zu. »Es scheint mir, als hätten Sie mich gesucht, Miß…«
»Ja.«
»Dann kennen Sie mich?«
»Sie sind John Sinclair.«
»Gut gemacht. Und wer sind Sie?«
»Ich heiße Sariana, Mr. Sinclair. Wie Sie sehen, bin ich Japanerin.«
»Natürlich.« Ich lächelte. »Um Japan geht es in diesem Fall, wobei ich allerdings nicht viel mehr weiß, da müssen Sie mich schon entschuldigen.«
Ihr helles Gesicht nahm für einen Moment einen nachdenklichen Ausdruck an. »Es ist gut, wenn die Mitwisser begrenzt bleiben, Mr. Sinclair. Es ist wirklich besser.«
»Sie scheinen mehr zu wissen ajs ich…«
»Haben Sie den roten Kreis gesehen?«
»Sicher. Ich konnte nicht vorbeischauen.«
»Es war die alte Kreismagie.«
»Gut, das nehme ich hin.« Ich nickte. »Aber es muß weitergehen, Sariana. Sie sprachen vorhin von zwei Samurai, wenn ich mich nicht getäuscht habe.«
»Das ist richtig.«
»Wo kommen sie her?«
Ich bekam keine direkte Antwort. Sie schaute mich an, und auf ihren Lippen erschien ein Lächeln, als sie sagte: »Ich weiß, daß Sie das Unmögliche akzeptieren. So werden Sie auch meine Antwort nicht als Lüge hinnehmen wollen! Sie kamen aus der Vergangenheit. Man hat sie in die Gegenwart geholt.«
Ich runzelte die Stirn. »Wenn sie aus der Vergangenheit gekommen sind und sich trotzdem bewegen, bleibt nur eine Möglichkeit. Samurai-Zombies. Habe ich recht?«
»Sie irren nicht.«
Ich holte tief Luft. Es gefiel mir überhaupt nicht, zwei untote Samurai in London zu wissen. Ich selbst kannte die Samurai, ich wußte genau, wie sie kämpfen konnten. Auch als Untote hatten sie nichts von ihrer Gefährlichkeit verloren.
»Weshalb kamen die beiden nach London?«
»Rache!«
»Für wen?«
»Sie wollen diejenigen bestrafen, die alte Gesetze gebrochen haben! Die zu Verrätern an einer bestimmten Sache wurden! Das ist gewissermaßen die Lösung.«
Ich hatte meine Zweifel. »Ist das tatsächlich so einfach, Sariana. Oder steckt mehr dahinter?«
»Für Sie muß es einfach sein.«
»Okay. Das akzeptiere ich alles. Ich möchte nur wissen, weshalb Sie hier erschienen sind?«
»Vielleicht möchte ich Sie unterstützen.«
»Sie sind gegen die Samurai?«
»Ja, Mr. Sinclair. Ich will nicht, daß es passiert.« Sie strich durch ihr lackschwarzes Haar. »Daß ich mich dabei in eine tödliche Gefahr begebe, weiß ich selbst, aber es
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