Yelena und der Mörder von Sitia - Snyder, M: Yelena und der Mörder von Sitia
lag außer Reichweite.
Gelsis Hilferufe brannten in meinem Bewusstsein wie ein glühendes Eisen und verliehen mir neue Kraft. Ich projizierte mich in Leifs Gedanken hinein und übernahm die Kontrolle über seinen Körper, wie ich es mit Goel getan hatte. Es gelang mir, die Spitze seiner Machete wenige Zentimeter vor meinem Magen abzuwehren. Verwirrt trat Leif einen Schritt zurück.
Ich arbeitete mich durch das Dunkel seiner Seele und stieß auf den kleinen Jungen, der Zeuge geworden war, wie seine Schwester entführt wurde, und der noch keinerlei Schuld oder Hass empfand. In diesem Moment spürte er nur Neugier und Staunen. Zwei Gefühle, die Ferde nicht gegen mich einsetzen konnte. Rasch versetzte ich Leif in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Er fiel zu Boden, während ich in meinen Körper zurückkehrte. Jetzt musste ich unbedingt Ferde außer Gefecht setzen. Um Leif würde ich mich später kümmern. Das nahm ich mir jedenfalls vor.
Hastig griff ich nach Perls Gerät und rannte den Korridor hinunter auf der Suche nach Gelsi. Nur die letzte Tür auf der linken Seite war geschlossen. Abgesperrt. Rasch zog ich meine Pickel heraus und öffnete das Schloss in Windeseile. Meine Bestzeit bis jetzt. Janco wäre stolz auf mich gewesen.
Die Tür öffnete sich nach innen, und ich stolperte in das Zimmer. Ferde hatte die Hände um Gelsis Hals gelegt. Entsetzt sah ich zu, wie alles Leben aus ihren Zügen wich. Ihre Augen blickten leer und stumpf.
Ferde stieß einen Freudenschrei aus, ballte die Fäuste und riss triumphierend die Arme hoch.
33. KAPITEL
Z u spät. Ferdes Triumphgeheul ließ mein Herz sinken. Plötzlich bemerkte ich, wie sich ein seltsamer Schatten von Gelsis Körper löste. Instinktiv duckte ich mich, stieß Ferde zur Seite, atmete den Schatten ein und nahm Gelsis Seele in mich auf. Es fühlte sich an, als würde die Welt einen Moment lang stillstehen, und diese Sekunden reichten aus, sie in einem sicheren Winkel meines Bewusstseins zu verbergen. Und dann setzte wie mit einem Fingerschnalzen die Bewegung wieder ein, und ich stürzte mich auf Ferde. Dabei flog mir Perls Apparat aus der Hand und landete an der Wand.
Nach einem kurzen Kampf drückte Ferde mich zu Boden und setzte sich auf meinen Unterleib. „Das ist meine Seele“, sagte er. „Gib sie mir zurück.“
„Sie gehört dir nicht.“
Yelena? Ich fühlte Gelsis Verwirrung in meinem Geist.
Halte durch , sagte ich zu ihr.
Ferde umklammerte meinen Hals. Ich packte seine Hände und presste ihn mit meinem linken Knie beiseite, als er sich über mich beugte. Das brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Schnell stemmte ich den linken Fuß auf den Boden, und mit einer Drehung meiner Hüften schob ich Ferde von meinem Körper. Sofort sprang ich auf und stellte mich in Kampfpositur.
Mit der Eleganz eines Tigers kam Ferde sofort wieder auf die Füße. „Wir sind einander fast ebenbürtig“, stellte er grinsend fest. „Aber ich glaube, dass ich im Vorteil bin.“
Ich wappnete mich für einen Angriff, aber er rührte sich nicht. Seine roten Tätowierungen begannen zu leuchten, bis sie mir in den Augen brannten. Mit seinen dunkelbraunen Augen starrte er mich unverwandt an.
Ferdes Gesicht verwandelte sich in das von Reyad. Vor meinen Augen drehte sich alles, und auf einmal war ich wieder in Reyads Schlafzimmer in Ixia. Gefesselt lag ich im Bett und schaute zu, wie Reyad in seiner Kiste mit Folterinstrumenten wühlte. Ich geriet in Panik, denn ich befürchtete, noch einmal seine Grausamkeiten erdulden zu müssen, doch die Szenerie wechselte abrupt zu Reyads verblüfftem Gesichtsausdruck, als das Blut aus seiner Kehle sprudelte und mich durchtränkte.
Du bist auch eine Mörderin , sprach Ferde in meinen Gedanken. Bilder der anderen Männer, die ich getötet hatte, tauchten vor meinem inneren Auge auf. Du hast die Macht, Seelen zu sammeln, ohne dass du Symbole oder Blut benötigst. Warum glaubst du wohl, dass Reyad dich noch heimsucht? Du hast ihm seine Seele geraubt, die erste von vielen. Ich kann in die Zukunft blicken, und deine sieht nicht gut aus.
Die Bilder begannen sich zu drehen: Irys’ eisiger Blick, mit dem sie mich von oben bis unten musterte. Valek, der in einer Schlinge baumelte. Leifs Hass und Cahils Wunsch, mich hinrichten zu lassen. Die Gerichtsverhandlung, in der man mich der Spionage beschuldigte, und das zufriedene Lächeln des Commanders, weil er bekommen hatte, was er von mir wollte und ich für Ixia nicht länger ein Problem
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