Yelena und der Mörder von Sitia - Snyder, M: Yelena und der Mörder von Sitia
sein Blick töten können, wäre ich auf der Stelle umgefallen. „Und ob! Du bist zum ersten Mal allein in der Zitadelle unterwegs. Man hätte dich ausrauben können. Du hättest dich verlaufen können. Ich habe schon mit dem Schlimmsten gerechnet, weil du nicht zurückgekommen bist.“ Cahils Blick wanderte zurück zu den Kindern.
„Ich kann auf mich selber aufpassen.“ Aufmunternd schaute ich Fisk an. „Gehen wir weiter“, forderte ich ihn auf.
Fisk nickte und setzte sich in Bewegung. Die anderen Kinder und ich folgten ihm.
Cahil schnaubte verächtlich und stieg vom Pferd. Mit Topaz’ Zügeln in der Hand ging er neben mir her. Doch er konnte sich eine herablassende Bemerkung nicht verkneifen.
„Die Gefolgschaft, die du dir ausgesucht hast, könnte dir eine Menge Ärger bereiten“, meinte er. „Jedes Mal, wenn du durch die Zitadelle läufst, fallen sie wie Parasiten über dich her und saugen dich aus.“ Seine Miene verriet Abscheu.
„Ist das eine weitere Lektion?“, fragte ich schnippisch.
„Ich versuche nur, dir zu helfen.“ Vor Ärger klang seine Stimme ganz heiser.
„Lass es bleiben. Halte dich lieber an das, was du kennst, Cahil. Deine Hilfe brauche ich nur, wenn es um Pferde geht.“
Er holte tief Luft. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie er seinen Zorn hinunterschluckte. Beeindruckend.
„Du bist mir noch immer böse“, sagte er.
„Warum sollte ich?“
„Weil ich dir nicht geglaubt habe, dass du keine Spionin bist.“
Als ich nicht reagierte, fuhr er fort: „Ich weiß – was du mit der Ersten Magierin erlebt hast, muss für dich wirklich schlimm gewesen sein …“
„Schlimm!“ Mitten auf der Straße blieb ich stehen und baute mich vor ihm auf. „Was weißt du denn schon? Hat sie dir das etwa auch angetan?“
„Nein.“
„Dann rede nicht über Dinge, von denen du absolut keine Ahnung hast. Weißt du überhaupt, wie es ist, hilflos zu sein und nackt ausgezogen zu werden und all deine intimsten Gefühle und persönlichsten Gedanken preisgeben zu müssen?“
Mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen schaute er mich an. „Aber du hast doch gesagt, dass du sie abgewehrt hast und dass sie eben nicht ganz und gar in dich eindringen konnte.“
Ich schauderte bei dem Gedanken, dass Roze noch tiefer hätte bohren können. Jetzt verstand ich auch, dass ihre Befragung bei einigen Menschen einen dauerhaften geistigen Schaden verursachen konnte, wie Cahil behauptet hatte.
„Das ist schlimmer, als vergewaltigt zu werden, Cahil. Ich weiß, wovon ich rede. Ich habe nämlich beides durchgemacht.“
Erschrocken sah er mich an. „Ist es deshalb?“
„Was? Komm, frag ruhig.“ Ich wollte ihm keine Einzelheit ersparen. Er sollte sich ruhig mies fühlen.
„Warum du die ersten drei Tage in deinem Zimmer geblieben bist?“
Ich nickte. „Irys hat mir vorgeworfen, trotzig zu sein. Dabei konnte ich allein die Vorstellung, von jemandem auch nur angeschaut zu werden, nicht ertragen.“
Topaz schob den Kopf über meine Schulter. Ich rieb meine Wange an seinem weichen Gesicht. Mein Zorn über Cahil hatte die Gedanken des Tieres vollkommen ausgeblendet. Jetzt öffnete ich ihm mein Bewusstsein.
Lavendelmädchen ist sicher. Topaz’ Zufriedenheit übertrug sich auf mich. Apfel?
Ich lächelte. Später.
Cahil beobachtete uns mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck. „Du lächelst nur Pferde an.“
War er eifersüchtig oder nur traurig? Ich hätte es nicht sagen können.
„Was Roze … ich … dir angetan haben … Ist das der Grund, warum du niemanden mehr an dich heranlässt?“, fragte Cahil besorgt.
„Nicht ganz. Und auch nicht niemanden.“
„Wen lächelst du denn sonst noch an?“
„Irys.“
Er nickte, als habe er mit dieser Antwort gerechnet. „Sonst noch jemanden?“
Meine Finger fuhren über die Ausbuchtung unter meiner Bluse, die von dem Schmetterlingsanhänger herrührte. Valek würde mehr als ein Lächeln von mir bekommen. Aber ich sagte nur: „Meine Freunde aus dem Norden.“
„Diejenigen, die dir das Kämpfen beigebracht haben?“
„Ja.“
„Und was ist mit der Person, die dir den Anhänger geschenkt hat?“
Ich ließ die Hand sinken. „Woher weißt du von meinem Anhänger?“, fragte ich barsch.
„Er ist herausgefallen, als du bewusstlos warst.“
Ich runzelte die Stirn. Richtig, Cahil hatte mich ja in mein Zimmer getragen, nachdem Roze mich verhört hatte.
„Vielleicht hätte ich es besser nicht erwähnt“, sagte er. „Aber es stimmt doch,
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