Yelena und die Magierin des Südens - Snyder, M: Yelena und die Magierin des Südens
dabei zu trinken. Schließlich schaffte ich es. In meinen Ohren knackte es. Der Geschmack verblüffte mich. „Süß. Kein Pfefferminz.“ Meine Stimme klang drollig, und ich ließ meine Nase los. Sofort übertönte die Minze die Süße.
„Richtig. Und jetzt versuch die anderen.“
Die nächste Tasse Pfefferminztee schmeckte säuerlich, die dritte bitter und die vierte salzig.
„Diese Methode funktioniert bei allen Getränken und Speisen. Wenn man den Geruchssinn ausschaltet, werden sämtliche Aromen außer süß, sauer, bitter und salzig unterdrückt. Einige Gifte sind an einer der vier Geschmacksrichtungen zu erkennen.“ Valek blätterte in seinen Unterlagen. „Hier ist eine vollständige Liste der für Menschen schädlichen Gifte und ihr typischer Geschmack. Es gibt insgesamt zweiundfünfzig bekannte Arten. Lern sie auswendig.“
Ich überflog die Aufstellung. Einige Gifte hatte ich bereits gerochen. ‚My Love‘ stand an oberster Stelle. Die Liste hätte mir Schwindel, Übelkeit, Kopfschmerzen und die gelegentlichen Wahnvorstellungen erspart. Ich wedelte mit dem Papier durch die Luft. „Warum habt Ihr mir nicht einfach das Verzeichnis gegeben, statt mich ‚My Love‘ erst selbst ausprobieren zu lassen?“
Valek hörte auf zu blättern. „Was kannst du schon von einer Liste lernen? Kattsgut beispielsweise schmeckt süß. Doch wie süß? Honigsüß? Apfelsüß? Es gibt verschiedene Arten von Süße, und die einzige Möglichkeit, sie kennen zu lernen, ist durch persönliche Erfahrung. Dieses Verzeichnis gebe ich dir nur aus einem einzigen Grund: der Commander möchte, dass du so schnell wie möglich mit deiner Arbeit beginnst.“ Valek klappte den Ordner zu. „Dass du diese Gifte jetzt nichtprobierst, bedeutet nicht, dass du es auch in Zukunft nicht brauchst. Lerne die Liste auswendig. Sobald die Ärztin dich von der Krankenstation entlässt, werde ich dein Wissen prüfen. Wenn du den Test bestehst, kannst du mit der Arbeit beginnen.“
„Und wenn ich durchfalle?“
„Dann werde ich einen neuen Vorkoster anlernen.“
Seine Stimme klang gleichgültig, aber die Bedeutung seiner Worte ließ mein Herz fast stehen bleiben.
Valek fuhr fort: „Brazell wird sich weitere zwei Wochen in der Burg aufhalten. Er muss sich noch um ein paar andere geschäftliche Dinge kümmern. Weil ich dich nicht den ganzen Tag bewachen lassen kann, richtet Margg dir ein Zimmer in meinen Privaträumen ein. Ich komme später noch mal, um mich zu erkundigen, wann du entlassen wirst.“
Ich sah Valek nach, als er zur Tür ging. Mit ebenso eleganten wie zielstrebigen Bewegun gen schien er durch das Zimmer zu schweben. Ärgerlich schüttelte ich den Kopf. Über Valek nachzudenken war das Schlechteste, was ich tun konnte. Stattdessen konzentrierte ich mich auf das Verzeichnis der Gifte, das meine Finger umklammerten. Ich strich das Papier glatt und hoffte, dass mein Schweiß die Tinte nicht verwischt hatte. Glücklicherweise war die Schrift noch lesbar, und erleichtert begann ich mit meiner Lektüre.
Ich merkte kaum, wie die Ärztin hereinkam, um nach meinem Arm zu sehen. Das Tablett mit den Tassen musste sie weggenommen haben, denn es war von meinem Schoß verschwunden. Die Geräusche und die Hektik auf der Krankenstation hatte ich vollkommen aus meinem Bewusstsein ausgeblendet, sodass ich zusammenfuhr, als mir ein Teller mit einem Kuchen unter die Nase geschoben wurde.
Die Hand, die den Teller hielt, gehörte zu Rand. Fröhlich grinste er mich an.
„Schau mal, was ich an der Frau Doktor vorbeigeschmuggelt habe. Na, mach schon. Iss, bevor sie zurückkommt.“
Das warme Gebäck roch nach Zimt. Weißer Zuckerguss tropfte an den Seiten herunter. Meine Finger wurden klebrig, als ich den Kuchen in die Hand nahm. Sorgfältig untersuchte ich ihn und sog das Aroma ein, um zu prüfen, ob sich ein ungewöhnlicher Geruch darunter mischte. Ich biss hinein und entdeckte mehrere Lagen von Teig und Zimt.
„Mein Gott, Yelena, du glaubst doch nicht etwa, dass ich ihn vergiftet habe?“ Rand schnitt eine Grimasse, als ob er Schmerzen hätte.
Genau das hatte ich gedacht, aber Rand wäre beleidigt gewesen, wenn ich ihm die Wahrheit gesagt hätte. Warum war er überhaupt hier? Obwohl er nett und zuvorkommend zu sein schien, trauerte er vielleicht noch immer um seinen Freund Oscove, den ehemaligen Vorkoster, und empfand einen Groll auf jeden, der seinen Platz eingenommen hatte. Andererseits war er ein potenzieller Verbündeter. Mit wem auf
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