Yelena und die Magierin des Südens - Snyder, M: Yelena und die Magierin des Südens
wert?“
10. KAPITEL
O ffenbar erwartete Valek keine Antwort, denn er drehte sich zu seinem Schreibtisch. Sein Argument leuchtete mir ein. Ich aß den letzten Bissen von meiner kalten Mahlzeit, schob das Tablett beiseite und wollte in mein Zimmer gehen. Doch er hielt mich zurück.
„Was würdest du dir für das Geld kaufen?“
„Eine Bürste, Nachtgewänder – und einiges würde ich auf dem Fest ausgeben“, sprudelte es aus mir heraus, selbst überrascht von meiner Redseligkeit.
Nachthemden wollte ich, weil ich es leid war, in meiner Uniform zu schlafen. In meiner Unterwäsche ins Bett zu gehen traute ich mich nicht aus Angst davor, mitten in der Nacht um mein Leben rennen zu müssen. Und dann stand das jährliche Feuerfest vor der Tür. Es war eine Art Geburtstag für mich. Beim vergangenen Feuerfest hatte ich nämlich Reyad getötet.
Obwohl der Commander alle Formen von kultischen Veranstaltungen verboten hatte, unterstützte er Feste, um die Bevölkerung bei Laune zu halten. Allerdings waren nur zwei derartige Feiern im Jahr erlaubt.
Beim vorigen Eisfest, bei dem Akrobaten und Handwerker ihre Künste vorführten, hatte ich noch im Kerker gelegen. Das Eisfest wurde in der kalten Jahreszeit veranstaltet, wenn man sowieso nichts anderes tun konnte, als am Feuer zu sitzen und Kunstobjekte herzustellen. Jede Stadt richtete ihr eigenes Eisfest aus.
Das Feuerfest dagegen war ein riesiger Karneval, der in der heißen Jahreszeit von Stadt zu Stadt zog. Es begann im hohen Norden, wo es nur während einiger weniger Wochen warmwurde, und machte sich dann auf den Weg nach Süden.
Es gehörte zur Tradition, dass für die einwöchigen Feiern in der Burg mitten in der heißen Jahreszeit zusätzliche Vor stellungen und Wettkämpfe eingeplant wurden, und ich hoffte, dass man mir erlauben würde, daran teilzunehmen. Valek hatte zwar angedeutet, meinen Unterricht auch noch auf den Nachmittag auszudehnen, aber die Zeit zwischen den Mahlzeiten hatte ich bislang zur freien Verfügung gehabt.
Schon immer war ich gern zum Feuerfest gegangen. Brazell hatte den Kindern in seinem Waisenhaus ein wenig Geld gegeben, sodass wir jedes Jahr daran teilnehmen konnten. Es war das Ereignis, auf das sich alle am meisten freuten. Wir übten das ganze Jahr, um uns für die Wettkämpfe zu qualifizieren, und sparten jeden Penny, den wir erübrigen konnten, für das Startgeld.
Valeks sachlicher Tonfall riss mich aus meinen Erinnerungen. „Du kannst dir ein paar Nachtgewänder bei Dilana, der Näherin, besorgen. Sie hätte sie eigentlich zu deinen Uniformen legen sollen. Was den Rest deiner Wünsche angeht, so wirst du dich mit dem begnügen müssen, was sich so ergibt.“
Seine Worte zogen mich in die Niederungen des Alltags zurück. Feuerfeste gehörten nicht dazu. Vielleicht konnte ich als Zaungast daran teilnehmen, aber ich würde keine Gelegenheit haben, die gut gewürzten Hühnerschenkel oder den köstlichen Wein zu probieren.
Seufzend ergriff ich mein Tagebuch und ging in mein Zimmer. Eine warme Brise umschmeichelte mein Gesicht. Ich beseitigte die restlichen Spuren von Staub, wischte Marggs Botschaft allerdings nur halb weg. In gewisser Hinsicht hatte sie Recht gehabt. Der Galgen wartete wirklich auf mich. Die Zukunft hielt kein normales Leben für mich bereit. MarggsWorte sollten mir eine ständige Warnung sein, nicht allzu sorglos zu werden.
Entweder versagte ich und wurde durch einen neuen Vorkoster ersetzt, oder ich vereitelte einen Mordanschlag um den Preis meines eigenen Lebens. Wenn ich auch nicht durch den Strick starb, so würde mir das Bild einer leeren Schlinge doch immer warnend vor Augen stehen.
Am nächsten Morgen stand ich ein wenig unschlüssig vor Dilanas Nähstube. Sie saß in einem schmalen Streifen Sonnenlicht, der durch das Fenster fiel, und summte vor sich hin. Ihre goldenen Locken glänzten. Ich beschloss, sie nicht zu stören, und wollte mich davonschleichen.
Doch sie hatte mich schon gesehen. „Yelena?“
Ich tauchte wieder im Türrahmen auf.
„Um Himmels willen, Mädchen, tritt doch ein. Du bist immer willkommen.“ Dilana legte ihre Nähsachen beiseite und klopfte mit der Handfläche auf den Stuhl, der neben ihr stand. Als ich mich zu ihr ins Sonnenlicht setzte, rief sie aus: „Du bist ja fast so dünn wie mein feinster Faden! Setz dich. Setz dich doch. Ich hole dir etwas zu essen.“
Sie achtete nicht auf meine Proteste und stellte eine große Scheibe gebutterten Brotes vor mich hin.
„Mein
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