Yelena und die Magierin des Südens - Snyder, M: Yelena und die Magierin des Südens
einen schweren Stein in der Hand zu haben, den ich auf seinem Kopf zerschmettern konnte. „Spionage ist gesetzwidrig. Vielleicht wollt Ihr die Person festnehmen oder ihr eine falsche Informationen zukommen lassen. Ihr wisst schon – was Spione eben so machen. Erinnert Ihr Euch nicht mehr? Oder seid Ihr daran inzwischen auch nicht mehr interessiert?“
Ich wurde zornig und holte tief Luft, um meine Schimpf kanonade fortzusetzen, aber Valek nahm mir den Wind aus denSegeln. Seine angespannten Gesichtszüge wurden weicher, und in seiner Miene lag neues Interesse.
„Wer?“, fragte er schließlich. „Und wann?“
„Margg hat mich angesprochen und etwas von einer Kontakt person erzählt. Wir treffen uns morgen Abend.“ Auf merksam studierte ich seinen Gesichtsausdruck. Ich hätte nicht sagen können, ob ihn Marggs Verrat überraschte oder verletzte. Valeks Gemütsverfassung in seiner Miene zu erkennen war genauso unmöglich, wie ein Buch in einer fremden Sprache zu lesen.
„Gut, macht es so, wie ihr es geplant habt. Ich folge euch zu dem Treffen, und dann werden wir ja sehen, mit wem wir es zu tun haben. Wir werden der Kontaktperson zunächst ein paar richtige Informationen geben, damit du glaubwürdig wirkst. Zum Beispiel, dass der Commander einen anderen Nachfolger bestimmt hat; das könnte klappen. Das ist eine harmlose Nachricht, die bald sowieso öffentlich gemacht wird. Und dann werden wir weiterschauen.“
Wir besprachen die Einzelheiten. Obwohl ich mein Leben riskierte, war ich frohgestimmt. Valek war wieder ganz der Alte. Aber für wie lange?, fragte ich mich, während mein Misstrauen sich wieder meldete.
Nach unserem Gespräch machte ich Anstalten zu gehen.
„Yelena.“
An der Tür blieb ich stehen und schaute ihn über die Schulter an.
„Du hast einmal gesagt, dass ich noch nicht bereit sei, dir das Motiv zu glauben, aus dem du Reyad getötet hast. Jetzt bin ich es.“
„Aber ich bin noch nicht bereit, es Euch zu sagen“, entgegnete ich und verließ das Zimmer.
20. KAPITEL
D ieser verflixte Valek! Verflucht, verflucht, verflucht! Vier Tage lang zeigte er mir die kalte Schulter, und dann soll ich ihm auf einmal vertrauen? Ich hatte einen Mord zugegeben. Sie hatten die Täterin festgenommen. Mehr sollte ihn nicht interessieren.
Im Dunkeln stieg ich die Treppe hinunter und ging in mein Zimmer. Ich musste von hier fort. Der Gedanke ließ mich nicht mehr los. Der Wunsch, einfach wegzulaufen und mich einen Teufel um das Gegengift zu scheren, war übermächtig. Lauf weg, lauf weg, lauf weg, ging es mir unentwegt durch den Kopf. Eine vertraute Melodie. Ich hatte sie schon einmal gehört – als ich in Reyads Gewalt war. Erinnerungen, von denen ich glaubte, dass sie tief in meinem Inneren verschlossen seien, drohten wieder aufzutauchen und sich in meinen Gedanken festzusetzen. Dieser verfluchte Valek! Es war seine Schuld, dass ich diese Erinnerungen nicht länger unterdrücken konnte.
In meinem Zimmer verschloss ich die Tür hinter mir. Als ich mich umdrehte, entdeckte ich Reyads Geist, der es sich auf meinem Bett bequem gemacht hatte. Aus der klaffenden Wunde an seinem Hals tropfte Blut auf sein Nachtgewand und färbte es schwarzrot. In merkwürdigem Kontrast dazu stand sein Haar, das nach der neuesten Mode frisiert war, der makellos gestutzte Schnurrbart und seine leuchtenden blauen Augen.
„Verschwinde“, forderte ich ihn auf. Unentwegt sagte ich mir, dass er ein körperloses Wesen war, vor dem man nicht die geringste Furcht haben musste.
„Begrüßt man so einen alten Freund?“, fragte Reyad. Ernahm das Buch über Gifte von meinem Nachttisch und blätterte darin.
Entsetzt starrte ich ihn an. Er sprach in meinen Gedanken. Er hielt ein Buch in der Hand. Ein Geist, nur ein Geist, wie derholte ich immer wieder. Reyad blieb ungerührt. Er lachte.
„Du bist tot“, sagte ich. „Solltest du nicht auf ewig in der Hölle schmoren?“
So leicht war Reyad nicht aus meinem Kopf zu bekommen. „Streberin“, sagte er und wedelte mit dem Buch durch die Luft. „Hättest du nur so gründlich für mich gearbeitet, wäre alles anders gekommen.“
„Mir gefällt es so.“
„Vergiftet, verfolgt und in Gesellschaft eines Irrsinnigen. Nicht gerade das, was ich ein angenehmes Leben nennen würde. Der Tod hat schon seine Vorteile.“ Er rümpfte die Nase. „Ich sehe doch, welch erbärmliches Leben du führst. Du hättest dich für den Strick entscheiden sollen, Yelena. Da hättest du dir eine Menge
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