Ysobel – Das Herz aus Diamant
Gespräch Thildas mit Volberte, das sie belauscht hatte. »Heute Nacht ist Neumond, und Dame Thilda muss bei ihren schmutzigen Geschäften Handlanger haben. Vielleicht ...«
»Den Wolf von St. Cado«, ergänzte Jos für sie und tastete hastig nach seinen Kleidern. »Ich bin ein Narr, ich hätte wissen müssen, dass er einen solchen Handel auf die Dauer nicht einem Schwächling und dessen habgieriger Gemahlin überlässt. Ich fürchte, ich habe einen schrecklichen Fehler gemacht. Zieh dich an, Mignonne!«
»Was habt Ihr vor?« Ysobel flocht mit fliegenden Fingern die Haare zum Zopf.
»Ich muss mir zunächst einen Überblick über die Lage verschaffen, bevor ich irgend etwas entscheiden kann«, entgegnete Jos.
Ysobel hatte die Sucherei im Halbdunkel satt, sie lief zum Fenster und rüttelte an den Läden, bis es ihr gelang, einen davon aus der Halterung zu zerren. Das kalte, klare Licht des Märzmorgens flutete in das Gemach. Nackt stand seine süße Geliebte da, erzitternd in der kühlen Luft, nur von ihren schimmernden Haaren umweht. Nun erst erkannte er, wie groß ihre Schönheit war. Vor dem Fenstergeviert und den grauen Regenwolken, die der Wind über das Land trieb, wirkte sie wie eine Statue aus feinstem Elfenbein.
Unwillkürlich suchte er den Körper, den er zum ersten Male im Hellen sah, nach Spuren ab. Nach Narben oder Zeichen der Demütigung, welche ihre Abenteuer hinterlassen haben mussten. Was hatte sie nicht alles erdulden müssen! Aber noch immer war sie vollkommen, von makelloser Reinheit. Sie war eine lebendig gewordene Versuchung.
»Wie schön du bist«, sagte er rau und zog sie beschützend in seine Arme. »Ich werde nicht zulassen, dass dir etwas geschieht, mein kostbares Herz! Ich gebe dir mein Wort darauf!«
Ysobel schmiegte sich gegen die warme Haut seines bloßen Oberkörpers und spürte den bereits vertrauten Wunsch nach mehr. Es war so jämmerlich wenig Zeit, die sie miteinander teilen durften. Sie wünschte sich ein ganzes Leben und hatte doch das grässliche Gefühl, dass ihr nicht mehr als einige gestohlene Stunden gegönnt waren.
»Die Kleider«, flüsterte sie traurig. »Jetzt braucht Ihr sie nicht mehr im Düstern zu suchen ...«
Sie hätte ihm lieber gesagt, wie sehr sie ihn liebte. Aber war diese Liebe nicht Anmaßung? Sie durfte nicht vergessen, wer sie war. Eine geschändete Frau, eine Abenteurerin, verwandt mit einem Paar, das Schrecken und Kummer über ihre Heimat gebracht hatte. Sie besaß kein Recht, einen Ritter wie ihn mit dieser Liebe zu belasten.
Einen Moment lang spürte sie den großen Druck seiner Lippen auf ihren. Sie sah Jos nicht an, während sie in ihre eigenen Kleider schlüpfte. Ihre Augen brannten vor ungeweinten Tränen.
11. Kapitel
Locronan! Ihr hattet also einmal mehr recht, mein Freund!« Jean de Montfort warf dem Grafen von Vannes einen anerkennenden Blick zu, ehe er sich den übrigen Männern zuwandte, die das prächtige Zelt füllten, vor dem die Standarten verkündeten, dass es sich um das Hauptquartier Seiner Gnaden handelte. »Was haben wir von Seigneur de Comper gehört?«, erkundigte er sich.
Kérven des Iles, der zu jenen Rittern zählte, die mit dem Herzog die letzte Schlacht vor Auray gewonnen hatten, reichte seinem Herren ein mehrfach gefaltetes, schmutziges Pergament, dem man ansah, dass es sein Ziel auf abenteuerlichen Wegen erreicht haben musste. Es roch dermaßen penetrant nach getrocknetem Fisch, dass seine Gnaden beim Entfalten unwillkürlich die Nase rümpfte.
»Er hat Verbündete in der Burg gefunden und hofft, die Beweise für die schurkischen Geschäfte des Seigneurs von Locronan in Kürze in den Händen zu halten«, fasste der Herzog die Botschaft zusammen und runzelte besorgt die Stirn. »Bei Gott, ich hoffe für ihn und uns, dass er dabei nicht zwischen alle Fronten gerät! Es sind schon genügend tapfere Männer umgekommen!«
»Joseph de Comper paart seine Stärke mit Scharfsinn und Tapferkeit«, beruhigte Jannik de Morvan den Fürsten. »Es gibt nichts, was ihn von seinem Ziel abbringt, und Ihr wisst, dass er am Ende immer zu den Siegern gehört. Er hat es oft genug bewiesen.«
»Ich hoffe, dass Euer Freund dieser hohen Einschätzung seiner Talente Ehre macht«, murmelte Jean de Montfort. »Und nun zu den Plänen für morgen. Wann werden wir Locronan erreichen, und wie steht es um die Befestigungen der Burg?«
Der Kriegsrat wandte sich den technischen Details des Feldzuges zu, den der Herzog in solcher Eile veranlasst
Weitere Kostenlose Bücher