Zaertlich beginnt die Nacht
und mit brennender Haut, voll unerfülltem Verlangen nach ihm, auch wenn ihr Verstand ihr sagte, dass sie ihn verachtete. Dass sie sich selbst verachtete.
Nein, für Aimee würde es kein guter Sommer werden.
Sie verzog den Mund und trat aus der Duschkabine.
Dieser Mann. Und die Scham über ihr eigenes Verhalten.
Und an dem gleichen Wochenende hatte auch noch ihr Groß vater einen Schlaganfall. Der gute Bradley war natürlich sofort zur Hilfe geeilt. Bis Aimee im Krankenhaus ankam, war Bradley bereits mit zwei alten Freunden von SCB vor Ort und wedelte ihr mit einem Wisch vor der Nase herum, auf dem James’ Unterschrift zu lesen war.
Zumindest behaupteten er und die beiden anderen, es sei James’ Unterschrift.
„Onkel hat mich zu seinem Stellvertreter ernannt, bis er sich wieder erholt hat.“ Bradley hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, sein Triumphgefühl zu verheimlichen.
Aimee warf das Badelaken beiseite und ging an ihren Kleiderschrank.
Sie hätte dagegen vorgehen sollen, sie hätte einen Rechtsanwalt einschalten können. Aber sie fühlte sich so elend, so voller Selbstverachtung, dass sie einfach nicht die Kraft fand, sich auf einen Prozess mit Bradley einzulassen.
Ihr lieber Cousin machte sich sofort in Großvaters Büro breit und ordnete Änderungen an, bei denen sich ihr die Haare sträubten. Doch es gab nichts, was sie hätte tun können. Bis er wieder auf den Beinen war, hatte Bradley das Sagen. Sie dachte daran, zu ihrem Großvater zu gehen und ihm Bericht zu erstatten, doch sie wusste nicht, in welcher Verfassung er sich befand. Von der Klinik war er in seine Villa zurückgekehrt, einen ganzen Pulk von Ärzten und Pflegepersonal im Schlepptau; anscheinend hatte er Anweisung gegeben, dass er niemanden empfangen wolle.
Aimee waren die Hände gebunden. Sie konnte nur darauf warten, was als Nächstes passieren würde.
Gestern hatte das Warten schließlich ein Ende gehabt. James’ Sekretärin – nun Bradleys Assistentin – rief an. Aimee solle bitte am nächsten Morgen um zehn Uhr bei Stafford-Coleridge-Black erscheinen.
„Es tut mir sehr leid, Miss Black“, hatte die Sekretärin sie kurz angebunden abgewehrt, als Aimee begann, Fragen zu stellen. „Ich kann Ihnen nur sagen, dass Sie morgen alle Antworten bekommen.“
Als ob ich die noch bräuchte, dachte Aimee jetzt bitter. Sobald sie in der Bank ankam, würde Bradley ihr vom Chefsessel mit einem öligen Grinsen selbstzufrieden mitteilen, dass ihm von jetzt an die Leitung oblag.
Natürlich würde sie gegen ihn klagen. Schon aus Prinzip. Aber sie hatte nicht die geringste Chance. Bradley hielt ein Dokument in Händen und konnte Zeugen benennen. Sie hatte nichts, und die Kosten für so einen sinnlosen Prozess waren abschreckend.
Außerdem hatte sie in letzter Zeit immer weniger Energie. Ständig war sie müde, sie fühlte sich regelrecht ausgelaugt. Und immer wieder überkamen sie Wellen von Übelkeit.
Der Stress, sagte sie sich. Wegen ihres Großvaters, schließlich liebte sie ihn trotz allem. Und wegen der Zukunft von Stafford-Coleridge-Black, denn die Bank liebte sie auch.
Und Stress wegen dieser Nacht mit dem Fremden, der sie verführt hatte.
Nein, so stimmte das nicht. Sie war einverstanden gewesen. Nicht nur einverstanden, sondern gierig. Es war das Aufregendste, was sie je erlebt hatte. So war Sex noch nie für sie gewesen. Und würde es nie wieder sein. Sie konnte sich nicht vorstellen, je wieder mit einem anderen Mann zusammen zu sein …
Aimee blinzelte.
Sie hatte wichtigere Dinge zu erledigen.
Gestern war sie endlich zu ihrer Ärztin gegangen. Sie hörte sich aufmerksam Aimees Beschwerden an, ließ Blut- und Urinproben nehmen und sagte Aimee, in ein paar Tagen seien die Laborergebnisse zurück.
„Machen Sie sich nicht zu viele Gedanken, Miss Black“, meinte die Ärztin sachlich. „Ich vermute, dass es nichts Ernstes ist.“
Wahrscheinlich nur fehlende Vitamine. Und Schlafmangel.
Und zu viele wirre Träume.
Doch wie sollte man sich keine Sorgen machen, wenn man auf Laborergebnisse warten musste?
Und jetzt noch dieses unnütze Meeting mit Bradley. Mit Sicherheit wollte er nur ihr Gesicht sehen, wenn er ihr mitteilte, dass er nun für immer fest im Chefsessel der Bank sitzen würde.
Fertig angezogen – leichtes Sommerkostüm, flache Schuhe, dezentes Make-up –, betrachtete Aimee sich im Spiegel. Die Frau, die sie dort erblickte, war ihr wirkliches Ich. Intelligent, bestens ausgebildet, kompetent.
Diese Frau
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