Zärtlicher Eroberer
investieren will?“
„Mehr noch, Mr. Danforth hat Lucien einen Sitz im Aufsichtsrat der Bank angeboten.“
„Für eine ganz schöne Summe, denke ich mal“, murmelte Philippa nachdenklich.
„Davon gehe ich aus. Aber Lucien wäre dann dafür zuständig, die Investitionen zu steuern. Der Gedanke scheint ihm ziemlich gut zu gefallen.“
„Er wäre auch hervorragend darin. Lucien ist kein Narr, wenn es um Geld geht.“
„Jedoch wenn er es mit Frauen zu tun hat, vor allem mit dir.“ Beldon sah sie über den Rand seiner Teetasse hinweg an.
„Valerian hat es dir erzählt?“
„Hm. Ziemlich unbedarft von Lucien, zu glauben, er könnte dich zu einer Verlobung oder gar öffentlich verkündeten Verlobung zwingen. Denkst du daran, seinen Antrag anzunehmen?“
„Ich habe noch nicht groß darüber nachgedacht“, erwiderte Philippa ausweichend. Eine Heirat mit Lucien Canton war nahezu ausgemacht gewesen, bis äußerst unpassend Valerian wieder aufgetaucht war. Jetzt glaubte Philippa, dass sie sehr naiv reagiert hatte. Sie hätte gründlicher darüber nachdenken müssen und nicht nur das unkomplizierte Arrangement zwischen zwei Freunden sehen dürfen, die sich zufällig gut verstanden. Aus welchem Grund sollte ein Mann mit Luciens gutem Aussehen und Zukunftsaussichten eine kinderlose Witwe heiraten wollen, wenn er die Auswahl unter so vielen geeigneten Debütantinnen hatte? Beldon sah aus, als wollte er das Thema noch weiter vertiefen, aber sie schüttelte den Kopf. „Das ist nicht der richtige Ort für ein solches Gespräch.“
Lady Pentlow begann kurz einzunicken, mitten in ihrer Unterhaltung mit Lady Trewithen. Der Abend näherte sich seinem Ende. Die Gäste wollten sicher noch ausreichend Schlaf haben, ehe sie sich am kommenden Morgen auf die Reise machten. Bestimmt warteten sie schon auf Philippas Zeichen, sich zurückziehen zu können.
Beldon gab nach. „Aber versprich mir, dass wir diese Unterredung bald nachholen werden.“
Philippa lächelte über das Beschützerverhalten ihres Bruders. Auch wenn die Kindheit lange hinter ihnen lag, hielt er noch immer an seiner Rolle als treuer Bruder fest. „Versprochen. Ich möchte dich nämlich auch etwas fragen, es betrifft Valerian.“
6. KAPITEL
Beldon stellte seine leere Tasse auf den Teewagen und verabschiedete sich von den anderen, die sich auf den Weg nach oben in ihre Zimmer machten. Im Gegensatz zu ihnen hatte er keine Lust, schon zu Bett zu gehen. Er war noch hellwach, und seine Gedanken kreisten um die Ereignisse während der vergangenen Feiertage. Außerdem hatte Canton einen ausgezeichneten Brandy in seiner Bibliothek stehen. Ganz allgemein hielt Beldon andere Menschen für interessante Studienobjekte. Jüngere Männer in seinem Bekanntenkreis hassten die routiniert ablaufenden gesellschaftlichen Anlässe, außer wenn es sich um Jagden handelte, aber er fand sie faszinierend. Solche Versammlungen von Leuten waren für ihn ein unerschöpflicher Quell an erstaunlichen kleinen Dramen auf sich kreuzenden Lebenswegen.
Selbst in einer so kleinen Gruppe wie an diesem Abend war das Netz eng gesponnen – Lucien und dieser Bankmensch Danforth, die miteinander ein Geschäft aufzogen; er und Lucien, Freunde durch ihre gemeinsame Bindung zu Philippa; Lucien und Philippa und das aufkommende Drama um Luciens Heiratsantrag; Lucien und Valerian, Feinde auf den ersten Blick. Warum? Die beiden Männer kannten sich doch gar nicht. Das Einzige, was sie miteinander verband, war Philippa.
Philippa. Das war die Erklärung. Hatte Valerian Gefallen an ihr gefunden? Es war eine wunderliche Vorstellung, Valerian könnte sich auf den ersten Blick in seine Schwester verliebt haben, und doch war Vals Feindseligkeit Lucien gegenüber fast greifbar zu spüren gewesen, seit er das Haus betreten hatte. Eine vage Idee formte sich in Beldons Kopf, Details aus der Vergangenheit verknüpften sich miteinander, anstatt wie bisher als isolierte Begebenheiten in seiner Erinnerung fortzubestehen. Doch Beldon wurde unterbrochen, ehe er auf das entscheidende Bindeglied zwischen ihnen kommen konnte.
„Einen Viertelpenny für deine Gedanken!“ Valerian trat in die Bibliothek, als hätten Beldons Überlegungen ihn dorthin beschworen. Er zog Jacke und Weste aus und krempelte die Hemdsärmel hoch.
Beldon verlagerte seine Sitzhaltung in dem bequemen Sessel. „Meine Gedanken sind weitaus mehr wert als einen Viertelpenny, alter Freund. Zieh dir einen Sessel heran, Canton hat eine
Weitere Kostenlose Bücher