Zärtlicher Eroberer
gewinnen willst, musst du ihr alles erzählen“, sagte Beldon. „Indem du reinen Tisch machst, erreichst du dein Ziel wahrscheinlich leichter.“
Valerian schüttelte den Kopf. „Seit wann stellt ein Geständnis die kürzeste Entfernung zwischen zwei Punkten dar?“
„Seit man weiß, dass ein Geständnis gut für die Seele ist.“ Beldon klopfte sich lachend die Erde von den Stiefeln, als sie die Stufen zur Terrasse hinaufstiegen.
Beldon hatte recht. Er musste es Philippa sagen. Er hatte eben gesehen, wie schmerzhaft die Geschichte für seinen Freund war, und er freute sich nicht darauf, auch mit Philippa darüber sprechen zu müssen. Es würde lange dauern, bis er ihr die Einzelheiten erklärt hatte.
Valerian war sich jedoch nur allzu bewusst, dass das alles vielleicht nicht genug war. Ihm war etwas klar, was Beldon noch gar nicht so recht begriffen hatte. In den neun Jahren seiner Abwesenheit hatte er ein völlig anderes Leben geführt, und aus dieser Zeit haftete ihm ein Ruf an, gegen den er ankämpfen musste. Mr. Danworth hatte das damals beim Essen deutlich zum Ausdruck gebracht. Aber es gab noch andere Dinge aus seiner Zeit im Ausland, die ihn unweigerlich einholen würden, Dinge, die ihm noch viel mehr schaden konnten als irgendwelche Frauengeschichten. Es war nur eine Frage der Zeit, bis es so weit war.
Lucien las noch einmal mit unverhohlener Begeisterung das ausführliche Schreiben, das mit der Post aus London gekommen war. Er spreizte die Finger auf der polierten Oberfläche des Kirschholzschreibtischs, der seine Macht in der Provincial Bank of Truro versinnbildlichte.
Er kam täglich ins Haus, um die Post und den Wirtschaftsteil der Times zu lesen und um ein paar private Geschäfte für die Bank abzuwickeln. Die einheimischen Großgrundbesitzer und Landadeligen fanden es beruhigend, sich wegen eines Kredits direkt an ihn wenden zu können. Es hob ihr Selbstwertgefühl, zu wissen, dass sie imstande waren, mit dem Sohn eines Viscount verhandeln zu können. Das nutzte er oft und großzügig aus.
Danforth klopfte und sah in Luciens elegantes Privatbüro. „Gute Nachrichten, wie ich hoffe?“, fragte er besorgt.
„Ja, sehr gute. Danke der Nachfrage“, erwiderte er knapp und lächelte. Er hatte gelernt, dass der Wert einer Information unbezahlbar sein konnte. Und er hatte nicht vor, irgendjemanden, und schon gar nicht diesen dünkelhaften, stiefelleckenden und selbst ernannten Bankier Danforth in sein neuestes on-dit einzuweihen. Eigentlich war es noch gar kein Gerücht, aber es würde eins werden, wenn es an die Öffentlichkeit gelangte. Und Lucien gedachte, das selbst einzuleiten.
Er musste sich wirklich zwingen, sich nicht vor Freude die Hände zu reiben. Er las den Bericht ein drittes Mal. Wie es aussah, hatte Viscount St. Just an einer unglücklichen Rebellion in einer Stadt namens Negush teilgenommen. Ein Massaker hatte stattgefunden, und die Stadt war niedergebrannt worden. Frauen und Kinder waren auf brutale Weise ums Leben gekommen. St. Just war es nicht gelungen, den Aufstand zu unterdrücken, ehe es zu diesen Gräueltaten gekommen war.
Lucien hatte keine Ahnung, wo Negush lag, und da er dort keine Bergbauinteressen vertrat, war es ihm ziemlich egal, auf welchem Teil der Landkarte es zu finden war. Aber St. Just würde das ganz und gar nicht gleichgültig sein, wenn diese Informationen publik wurden. Wenn man die Geschichte nur richtig formulierte, konnte sich St. Just als Mörder Unschuldiger herausstellen, der er wahrscheinlich auch war, direkt oder indirekt. Wenn Lucien es geschickt anstellte, konnte er die Londoner Gesellschaft dazu bringen, zu glauben, St. Just hätte sich bei diesem Aufstand des Verrats schuldig gemacht. Im besten Fall würde man St. Just hängen. Auch Adelige konnten Verrat begehen, vor allem, wenn sein Vater und seine alten Freunde in Whitehall ein Exempel statuieren wollten. Der Mann war in jedem Fall dem Untergang geweiht. Die Gesellschaft würde keinen Mann tolerieren, der zu solchen Taten fähig war; ob es ihm nun nur aus Unachtsamkeit nicht gelungen war, den Aufstand zu unterdrücken, ehe er außer Kontrolle geraten war, oder ob er tatsächlich aktiv an diesem sinnlosen Blutvergießen teilgenommen hatte.
St. Just würde dafür bezahlen, und dann kam Philippa wieder zu ihm zurück. Lucien glaubte, gar nicht verlieren zu können. Philippa würde Valerian verdammen und sich selbst beglückwünschen, weil sie einem solchen Ungeheuer aus dem Weg gegangen war.
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