Zärtlicher Hinterhalt
dein Versprechen.
«
»Vergiss dieses so genannte Versprechen! Sorge ich etwa nicht gut für dich? Hast du nicht genügend Bedienstete, die dir jeden Wunsch von den Augen ablesen? Trägst du etwa nicht die schönsten Kleider?«
Hannah konnte ihre eigene Verzweiflung förmlich schmecken. ja, Ja, aber das ist es nicht, was ich will. Dann sag wenigstens Charles, dass er mich den Haushalt führen lassen soll. Ich habe nämlich nichts zu tun!«
»Hör mit dem Unsinn auf! Die meisten Frauen würden sich glücklich schätzen, so zu leben wie du.« Er schaute sie vorwurfsvoll an. »Und hör auf, dich über Charles zu beschweren und versuche, mit ihm auszukommen. Keinem Bediensteten, vertraue ich so wie ihm, und ich werde ihn nicht den Launen eines kleinen Mädchens wegen entlassen.
«
»Du vertraust ihm mehr als mir.«
»Liebling, rede doch keinen solchen Unsinn.« Dougald zog sie an sich und küsste sie auf die Stirn. »Du bist meine Ehefrau.«
Was keine Antwort gewesen war, aber das hatte sie damals schon gewusst.
Ihre größte Sorge war, dass Dougald tatsächlich glaubte, sie sehne sich danach, bei ihm zu sein, wie damals während der kurzen Zeit ihrer Ehe.
Sie sehnte sich nicht danach. jeden Tag beim Mittagessen saß sie ihm gegenüber, und hätte sie seine abweisende, sardonisch-dämonische Miene häufiger zu sehen bekommen, hätte sie Brechreiz oder Nesselausschlag bekommen. Nicht nur, dass sie ihn beim Dinner zu ertragen hatte, sie musste außerdem noch höflich sein. Eine Miss Setterington musste dem Lord von Raeburn Respekt zollen und durfte nicht vor Wut schnauben, wenn sie ihren täglichen Rapport leistete. Sie hatte sich zivilisiert auszudrücken, und wenn sie die Gelegenheit nutzte und ihn nach ihren eigentlichen Pflichten befragte, dann nutzte er die Gelegenheit und bedeutete ihr, er werde sie schon wissen lassen, wenn er für ihre Pflichterfüllung bereit sei.
Überdies starrte er sie ständig an. Unermüdlich und mit unerbittlichen grünen Augen. Er hörte alles, was sie sagte. Mit seinen unverständlichen Andeutungen war er eine biblische Plage. Wenn sie nur offen mit ihm hätte reden können, ohne dass Seaton und die Tanten begeistert lauschten. Sie hätte ihm gesagt, wie verdammt egal ihr seine Andeutungen waren und dass er sich seine Versuche, sie einzuschüchtern, sparen könnte, weil sie ja doch nichts bewirkten.
Dougald und Hannah führten einen Tanz auf, bei dem sie nachsetzte und er zurückwich. Und – verdammt noch mal! sie wollte gar nichts von ihm.
Die Ungerechtigkeit ihrer Lage ließ sie niedergeschmettert auf der vordersten Kirchenbank zusammensinken. Existierte der Dougald, den sie geheiratet hatte, denn nicht mehr? Hatte er überhaupt je existiert, oder war er nur ein Trugbild ihrer Fantasie gewesen? Der schwierige, finstere Earl of Raeburn, der aus seiner schwarzen Seele kaum mehr einen Hehl machte, war ihr jedenfalls neu. Hätte sie ihn nicht schon so lange gekannt und wüsste die Wahrheit, hätte sie ohne weiteres geglaubt, dass er seine Frau getötet hatte.
Sie tat gut daran, Vorsicht walten zu lassen, wenn sie mit ihm sprach.
Falls es dazu je kam.
Aber es musste doch eine Lösung geben. Vielleicht fand sie hier an diesem Ort eine. Sechshundert Jahre lang hatte der Altar das Herz des Schlosses gebildet. Die Stufen waren blank gewetzt von den Schritten hunderter Gläubiger, die hier die Kommunion empfangen hatten. Der Altar selbst war aus Eichenholz und so emsig geputzt und gewachst, dass die Maserung fast golden schimmerte. Ein strahlend weißes, perfekt gebügeltes Tuch mit reicher Stickerei hing über die seitlichen Enden des Altartischs.
Die Kapelle hatte Geburt und Tod begleitet, Verwünschungen und Gebete gehört. In ihren Mauern waren zahllose Taufen gefeiert worden und zahllose Beerdigungen. Hannah konnte ihre missliche Lage nicht mit diesen lebenswichtigen Ereignissen vergleichen, trotzdem senkte sie das Haupt und betete um Beistand.
Als sie geendet hatte, hob sie den Kopf und schaute sich um, als erwarte sie, vor sich den himmlischen Ratschluss zu sehen. Stattdessen entdeckte sie im blauen Licht des Fensters eine unebene Stelle an der Wand links vom Altar. Kurz überm Boden schien ein Teil der Holzvertäfelung morsch geworden zu sein und sich von der Wand zu lösen.
Sie blickte zur Tür des Arbeitszimmers. Die Tür war immer noch hartnäckig zu; also machte sie sich daran, das beschädigte Paneel zu inspizieren. Während sie sich hinkniete, entdeckte sie, dass
Weitere Kostenlose Bücher