Zärtlicher Nachtwind - Kleypas, L: Zärtlicher Nachtwind - Tempt me at Twilight
verrichten … nein, dazu war sie noch nicht bereit. Und sie fühlte sich unsicher, denn trotz ihrer Unschuld wusste sie, dass er den Akt der Liebe mit ihr noch nicht ganz vollzogen hatte.
Aber warum?
Hätte sie etwas tun sollen, von dem sie nichts wusste? Hatte sie einen Fehler gemacht? Vielleicht hätte sie gelassener sein sollen. Sie hatte ihr Bestes gegeben, aber dann war es so entsetzlich schmerzhaft gewesen, obwohl Harry sich Mühe gegeben hatte, vorsichtig zu sein. Er wusste doch sicherlich, dass es für eine Jungfrau beim ersten Mal schmerzhaft war. Warum also hatte er ihr das Gefühl gegeben, böse auf sie zu sein?
Poppy fühlte sich minderwertig. Und sie hatte das Gefühl, sich verteidigen zu müssen. Sie schlüpfte aus dem Bett, fand ihr Nachthemd auf dem Boden und zog es an. Dann kroch sie geschwind wieder unter die Decke, als sie Harry ins Zimmer zurückkehren hörte. Wortlos sammelte er seine verstreuten Kleider auf und begann sich anzuziehen.
»Gehst du noch aus?«, hörte sie sich selbst fragen.
Harry sah sie nicht an. »Ja.«
»Bleib bei mir«, stieß sie hervor.
Harry schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht. Wir sprechen später. Jetzt gerade …« Er verstummte, als fehlten ihm die Worte.
Poppy rollte sich auf die Seite und umklammerte die Bettdecke. Etwas lief fürchterlich schief. Sie konnte nicht begreifen, was es war, und sie hatte Angst nachzufragen.
Harry warf sich den Mantel um und stürzte zur Tür.
»Wohin gehst du?«, fragte Poppy mit zittriger Stimme.
Er klang kühl und distanziert. »Ich weiß es nicht.«
»Wann wirst du …«
»Auch das kann ich dir nicht sagen.«
Sie wartete, bis er gegangen war, bevor sie ein paar Tränen über ihre Wangen laufen ließ, die sie mit dem Bettlaken trocknete. Ging Harry zu einer anderen Frau?
Kläglich dachte sie darüber nach, dass die Hinweise ihrer Schwester Win über die ehelichen Beziehungen unzureichend gewesen waren. Hätte sie nur etwas weniger über Rosen und Mondschein erzählt und dafür mehr praktische Informationen für sie bereitgestellt.
Sie wollte ihre Schwestern sehen, besonders Amelia. Sie wollte zu ihrer Familie, die etwas auf sie hielt. Sie würden sie lieb haben und loben und ihr die Bestätigung geben, die sie so dringend nötig hatte. Es war alles andere als ermutigend, bereits nach knapp drei Wochen an der Ehe zu scheitern.
Ganz besonders aber benötigte sie Rat über Ehemänner.
Ja, es war Zeit, sich zurückzuziehen und in aller Ruhe zu überlegen, was zu tun war. Sie würde nach Hampshire zurückgehen.
Ein heißes Bad besänftigte ihren schmerzenden Unterleib und half, die überanstrengten Muskeln an den Innenseiten ihrer Schenkel zu entspannen. Nachdem sie sich abgetrocknet und gepudert hatte, zog sie ihr weinrotes Reisekleid an. Sie packte ein paar Habseligkeiten in einen kleinen Handkoffer, als da waren Unterwäsche und Strümpfe, eine silberne Haarbürste, ein Buch sowie einen kleinen Automaten, den Harry ihr gemacht hatte – einen kleinen Specht auf einem Baumstamm – und den sie normalerweise auf ihrem Toilettentisch stehen hatte. Die Diamantenkette hingegen, die Harry ihr geschenkt hatte, legte sie in die samtene Schatulle zurück und verstaute sie in einer Schublade.
Als sie bereit zur Abreise war, klingelte sie nach einem Hausmädchen und schickte sie, um Jake Valentine zu holen.
Der hochgewachsene Mann mit den braunen Augen war augenblicklich zur Stelle, und er machte keinen Hehl aus seiner Besorgnis. Sein Blick überflog ihre Reisebekleidung. »Wie kann ich Ihnen behilflich sein, Mrs Rutledge?«
»Mr Valentine, hat mein Mann das Hotel verlassen?«
Er nickte, die Stirn in Falten gelegt.
»Hat er Ihnen gesagt, wann er zurück sein wird?«
»Nein, gnädige Frau.«
Poppy fragte sich, ob sie ihm vertrauen konnte. Seine Loyalität gegenüber Harry war wohlbekannt. Jedoch blieb ihr nichts anderes übrig, als ihn um Hilfe zu bitten. »Mr Valentine, ich muss Sie um einen Gefallen bitten. Allerdings fürchte ich, es könnte Sie in eine schwierige Lage bringen.«
Seine Augen füllten sich mit Wärme, und ein wehmütiges Lächeln huschte über sein Gesicht. »Mrs Rutledge, ich bin eigentlich immer in einer schwierigen Lage. Bitte zögern Sie nicht, mich um alles zu bitten.«
Sie straffte die Schultern. »Ich brauche eine Kutsche. Ich werde meinen Bruder in seinem Haus in Mayfair besuchen.«
Das Lächeln verschwand aus seinen Augen. Er blickte auf den Koffer zu ihren Füßen. »Ich
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