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Zahn, Timothy - Jagd auf Ikarus

Zahn, Timothy - Jagd auf Ikarus

Titel: Zahn, Timothy - Jagd auf Ikarus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Zahn
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mit seiner Fracht nach Hause fliegen. Betrachten Sie es als eine Art Urlaub für Ihre Dienste in den letzten drei Jahren, in Ordnung?«
    Beim Gedanken daran, was ich auf der Ikarus schon alles erlebt hatte, entsprach dieser Flug nicht gerade meiner Vorstellung von einem schönen Urlaub. Angesichts der Alternative, Bruder Johns Rache zum Opfer zu fallen, fand ich jedoch, dass ich keinen Grund zur Klage hatte … »Vielen Dank, Mr. Ryland«, sagte ich und schenkte ihm einen demütigen Blick der Dankbarkeit. »Ich werde Ihnen Bescheid sagen, wenn ich wieder zur Verfügung stehe.«
    »Natürlich werden Sie das«, sagte er; und plötzlich wich der wärmende Sonnenschein wieder einer eisigen Winternacht. »Denn Sie schulden uns noch immer eine beträchtliche Summe Geldes. Und Sie wissen auch, was Mr. Antoniewicz von Mitarbeitern hält, die kündigen wollen, ohne zuvor ihre Schulden zu tilgen.«
    Unwillkürlich schauderte ich. Mr. Antoniewicz war der Kopf der gesamten Organisation, mit einer phantomartigen Identität, die sogar noch sorgfältiger gehütet wurde als die von Bruder John. Gerüchten zufolge waren in der gesamten Spirale schon über tausend Haftbefehle auf ihn ausgestellt worden: wegen der Herstellung von Happy Glibber über Massenmord bis hin zum Anzetteln von Weidekriegen, bei denen er dann Waffen an beide Seiten verhökerte. Die Ordnungshüter würden wahrscheinlich zwei beliebige Extremitäten hergeben, um ihn endlich in seinem Versteck auszuräuchern. »Ja, Sir«, sagte ich Bruder John. »Ich werde Sie beide nicht enttäuschen.«
    »Gut«, sagte er. Sein Lächeln verschob sich auf Anfang April, mit der ersten Wärme des Frühlings, aber auch noch mit der Gefahr von Spätfrost im Verzug. »Dann dürfen Sie jetzt zu Ihrem neuen Schiff zurückkehren. Auf Wiedersehen, Jordan.«
    »Auf Wiedersehen, Mr. Ryland«, sagte ich. Sein Blick schweifte über die Kamera hinweg, er nickte, und dann wurde die Vid-Verbindung beendet.
    Ich blieb noch für fast eine Minute sitzen und schaute grimmig auf die dunkle Mattscheibe. Dabei versuchte ich, die Untertöne der Unterhaltung zu sortieren. Irgendwie schienen auch falsche Töne dabei gewesen zu sein, aber es wollte mir ums Verrecken nicht gelingen, dieses Unbehagen gedanklich zu formulieren.
    Und ich war mir auch schmerzlich bewusst, dass dieses »Verrecken« durchaus wörtlich zu nehmen war. Falls Bruder John – oder Mr. Antoniewicz über ihm – zu dem Schluss gelangte, dass ich meinen Nutzen überlebt hätte oder dass ein Exempel statuiert werden müsse, würde er mir diesen Entschluss wohl kaum mitteilen, indem er mich auf einer offenen Vid-Verbindung bedrohte. Nein, er würde nur lieb lächeln, genauso wie er das zum Schluss getan hatte, und dann würde er auf diesen Knopf drücken und diesen finalen Befehl erteilen, und ich würde spurlos von der Bildfläche verschwinden.
    Ein leises Knistern von Banknoten riss mich aus meinen Überlegungen: Das, was von meinen hundert commark noch übrig war, fiel in den Ausgabeschacht für das Wechselgeld. Ich sammelte die Scheine und Münzen ein und fragte mich, ob ich sie gleich in ein neues Gespräch investieren sollte. Ich könnte zum Beispiel Onkel Arthur anrufen …
    Mit einem Seufzer steckte ich die Scheine lose in mein ID-Etui und ließ die Münzen in eine Seitentasche fallen. Onkel Arthur war nämlich der einfallsreiche Wohltäter gewesen, der sich seinerzeit so bemüht hatte, Ixil und mich mit Bruder John zusammenzubringen – damals, als die Schulden überhandnahmen und wir akut von Insolvenz bedroht waren. Und ich wusste, was er sagen würde, wenn ich auch nur andeutete, dass ich Probleme mit der Organisation hätte.
    Zumal es unwahrscheinlich war, dass er auch nur den kleinen Finger für mich rühren würde, wenn ich ihn anrief. Auf seine Art war er nämlich ein genauso lichtscheuer Typ wie Mister Antoniewicz, und er hatte mir auch deutlich zu verstehen gegeben, dass seine Identität geschützt werden müsse. Insofern würde es ihm nur gelegen kommen, falls er im Internet von meinem Tod erfuhr.
    Die Deckenbeleuchtung flackerte zweimal: ein dezenter Hinweis, dass mein Gespräch beendet war und der Nächste bereits darauf wartete, die Zelle betreten zu können. Ich stand auf, zog den Plasmastrahler aus dem Holster, den ich unter der linken Achsel trug, und überprüfte den Akku und die Sicherung. Dann steckte ich die Waffe wieder weg, wobei ich mich aber noch vergewisserte, dass sie locker genug saß, damit ich sie im

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