Zauber der Schlange
Reling und stießen die panikerfüllten Leute beiseite.
»Legt eine Planke herüber«, rief Greldik, als sie das Ende des Stegs erreicht hatten.
»Werter Kapitän«, blubberte ein kahler Nyissaner und klammerte sich an Greldiks Fellweste. »Ich gebe dir hundert Goldstücke, wenn du mich auf dein Schiff läßt.«
Angewidert stieß Greldik ihn von sich.
»Tausend Goldstücke«, versprach der Nyissaner, hielt sich an Greldiks Arm fest und wedelte mit einer Börse.
»Schafft mir den Affen vom Hals«, befahl Greldik.
Einer der Matrosen schlug den Nyissaner im Vorbeigehen bewußtlos, bückte sich dann und entwand ihm die Börse. Er öffnete sie und schüttelte den Inhalt in seine Hand. »Drei Silberstücke«, sagte er verächtlich. »Der Rest ist Kupfer.« Er drehte sich um und trat dem Bewußtlosen in den Bauch.
Nacheinander kletterten sie zum Schiff hinüber, während Barak und Mandorallen die Menge unter Androhung massiver Gewalt zu rückhielten.
»Kappt die Taue«, rief Greldik, als sie alle an Bord waren.
Die Matrosen zerschnitten die dicken Taue, was die Nyissaner, die am Rand des Steges standen, mit lautem Entsetzensgeheul beantworteten. Die träge Strömung trug das Schiff langsam davon, und Wehklagen und verzweifeltes Stöhnen folgten ihnen, während sie dahintrieben.
»Garion«, sagte Tante Pol, »warum gehst du nicht nach unten und ziehst dir etwas Anständiges an? Und wasch dir die abscheuliche Farbe aus dem Gesicht. Dann komm wieder. Ich möchte mit dir reden.«
Garion, der vergessen hatte, wie lächerlich er angezogen war, errötete und lief rasch nach unten.
Es war merklich heller geworden, als er in seiner gewohnten Tunika und Hose wieder nach oben kam, aber die graue Asche schwebte noch immer durch die bewegungslose Luft, hüllte die Welt in Dunst und bedeckte alles mit einer dicken Schicht feinen Staubs. Sie waren ein gutes Stück auf den Fluß hinausgetrieben, und Greldiks Männer hatten den Anker ausgeworfen. Das Schiff wiegte sich sanft in der trägen Strömung.
»Hier, Garion«, rief Tante Pol. Sie stand im Bug und sah hinaus in den Dunstschleier. Garion ging etwas zögernd zu ihr. Die Erinnerung an die Vorkommnisse im Palast waren noch sehr lebendig in ihm.
»Setz dich, mein Lieber«, sagte sie. »Es gibt etwas, worüber ich mit dir sprechen muß.«
»Jawohl, meine Dame«, sagte er und setzte sich auf eine Bank.
»Garion.« Sie drehte sich um und sah ihn. »Ist irgend etwas passiert, während du in Salmissras Palast warst?«
»Was meinst du?«
»Du weißt genau, was ich meine«, sagte sie ziemlich schroff. »Du wirst uns doch nicht dadurch in Verlegenheit bringen wollen, daß ich gewisse Fragen stellen muß, oder?«
»Oh.« Garion wurde rot. »Das! Nein, so etwas ist nicht passiert.« Er erinnerte sich mit leichtem Bedauern an die üppige Überreife der Königin.
»Gut. Das war das eine, was ich befürchtet hatte. Du kannst es dir im Moment nicht leisten, in so etwas hineingezogen zu werden. Es hat seltsame Auswirkungen auf jemanden in deinen besonderen Umständen.«
»Ich weiß nicht, ob ich das verstehe.«
»Du hast gewisse Fähigkeiten«, erklärte sie. »Und wenn du mit diesem anderen herumexperimentierst, ehe sie voll ausgereift sind, kann das Ergebnis manchmal unberechenbar sein. Es ist besser, zu diesem Zeitpunkt nichts durcheinanderzubringen.«
»Vielleicht wäre es dann besser, es wäre wirklich etwas passiert«, platzte Garion heraus. »Vielleicht wäre es dann erledigt, so daß ich niemanden mehr verletzen könnte.«
»Das bezweifle ich«, sagte sie. »Deine Macht ist zu groß, als daß sie so leicht neutralisiert werden könnte. Erinnerst du dich, worüber wir an jenem Tag gesprochen haben, als wir Tolnedra verließen?«
»Ich brauche keine Unterweisung«, protestierte er mürrisch.
»Doch, das brauchst du«, widersprach sie, »und zwar sofort. Deine Macht ist gewaltig – eine größere Macht, als ich je gesehen habe, und manches davon so komplex, daß ich es nicht einmal ansatzweise begreife. Du mußt mit deiner Unterweisung beginnen, ehe etwas Entsetzliches geschieht. Du bist völlig außer Kontrolle, Garion. Wenn es dir wirklich ernst damit ist, daß du niemanden verletzen willst, dann solltest du mehr als bereit sein zu lernen, wie du Unfälle vermeiden kannst.«
»Ich will aber kein Zauberer sein«, wandte er ein. »Ich will es nur loswerden. Kannst du mir nicht dabei helfen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Und selbst, wenn ich es könnte, würde ich
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