Zauber der Versuchung: Roman (German Edition)
Vertrauens als eine des... Wissensdurstes. Oder -hungers. Ich will wissen, wie sie denkt, was sie fühlt, und warum sie die Frau ist, die sie heute ist. Alles. Ergibt das einen Sinn?«
»Überhaupt nicht. Fahr fort.«
»Judith und ich einigten uns zu Beginn darauf, ehrlich zueinander zu sein, und ich bin überzeugt, dass sie in allem ehrlich war, was sie mir sagte. Es ist das, was sie mir nicht sagt, das mir Sorge bereitet.«
»Also ist es nicht deine Vergangenheit, die du fürchtest, sondern ihre?«
»Könnte sein.«
»Die Vergangenheit prägt die Zukunft. Das liegt in der Natur des Menschen.« Norcroft sah Gideon nachdenklich an. »Vergib mir, wenn ich etwas begriffsstutzig bin, aber ich verstehe nicht, warum du dich überhaupt sorgst. Ich hatte den Eindruck, dass das zwischen dir und Lady Chester etwas Vorübergehendes wäre. Ein angenehmes Zwischenspiel, ja, ich glaube so nanntest du es. Nichts Ernstes.«
»War es«, erwiderte Gideon knapp. »Oder zumindest war es so beabsichtigt.«
»Und jetzt?«
»Jetzt?« Gideon stöhnte. »Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, was sie will. Und ich weiß nicht, was ich will.«
»Verstehe.«
»Ja?«
»Nein, eigentlich nicht«, bekannte Norcroft und zog die Schultern hoch. »Vielleicht würde ich alles besser verstehen, wenn wir im Warmen wären.«
»Unsinn. Die Kälte bringt das Blut in Bewegung, was eindeutig förderlich für das Denken ist.« Gideon ging weiter den Weg entlang.
»Ich weiß, was ich denke«, murmelte Norcroft und eilte ihm nach.
»Meine Tante hat übrigens recht«, sagte Gideon mehr zu sich als zu seinem Freund. »Judith ist nicht die Art Ehefrau, die ich mir suchen sollte.«
»Dann hat die Ehe ihr hässliches Haupt gereckt?«
»Alles scheint darauf hinauszulaufen, oder nicht?« Gideon warf ihm einen Blick zu. »Meine Tante vermutet, dass Judith keine Kinder bekommen kann. Falls sie recht hat, würde eine Heirat mit Judith das Ende unserer Familienlinie bedeuten. Natürlich gibt es da noch Cousins, die meinen Titel erben würden, aber die Pearsalls wären ausgestorben. Ich habe es stets als meine Pflicht betrachtet, das zu verhindern. Aber jetzt...«
»Jetzt bist du hin- und hergerissen zwischen dem, was du tun solltest, und dem, was du tun möchtest«, beendete Norcroft den Satz für ihn. »Mir scheint, du würdest nicht über Ehe reden, wenn nicht gleichzeitig Liebe in Betracht käme.«
»Die Möglichkeit besteht durchaus.« Sobald er die Worte ausgesprochen hatte, wusste er, dass Norcroft recht hatte. Liebe kam durchaus in Betracht.
»Falls es die Liebe ist, über die du reden möchtest, fürchte ich, dass du dich an den Falschen wendest. Helmsley ist...«
»Ich möchte nicht mit Helmsley darüber reden«, entgegnete Gideon bestimmt.
»Über sie, meinst du.«
»Ja. Teufel noch mal, Norcroft, mir ist klar, wie irrational das ist. Die Beziehung zwischen Helmsley und Judith ist längst vorbei. Das weiß ich. Sie und ich, wir sind beide erwachsen und haben jeder unsere eigene Geschichte, die nichts von dem betrifft, was wir heute haben. Aber...« Er zerbrach den Zweig in seiner Hand. »Es gefällt mir nicht. Mir gefällt nicht, dass sie mit Helmsley zusammen war, und mir gefällt nicht, dass sie Freunde geblieben sind. Mir gefällt nicht, dass sie überhaupt mit anderen Männern zusammen war.« Seine Stimme nahm einen verbitterten Ton an. »Und mir behagt es ganz und gar nicht, dass sie verheiratet war.«
Norcroft machte große Augen. »Aha.«
»Sieh mich nicht so an. Ich bin nicht dem Wahnsinn verfallen.« Gideon warf die Zweigstücke beiseite und klopfte sich die Hände ab. »Ich bin nur...«
»Eifersüchtig?«, half Norcroft ihm aus.
»Ganz und gar nicht.« Gideon sah ihn an. »Oder krankhaft.« Es stimmte, auch wenn er es sich bisher nicht eingestanden hatte. »Ich stelle fest, dass ich mir wünsche, sie hätte erst in dem Moment zu leben begonnen, als sich unsere Blicke auf dem Twelfth-Night-Ball begegneten. Ich will, dass ihr Leben mit mir anfing. Nur mit mir.«
»Dann bleiben dir, wie ich es sehe, zwei Möglichkeiten«, erklärte Norcroft und musterte ihn prüfend. »Du kannst mit deinem Leben weitermachen wie geplant, tun, was man von dir erwartet, eine passende Frau finden. Vielleicht setzt du nebenbei das mit Lady Chester...«
Gideon schüttelte den Kopf. »Dazu wäre sie nicht bereit, wenn ich verheiratet bin. Und ich würde sie auch nicht darum bitten.«
»Dann nicht. Also, du lebst dein Leben, wie man es von dir
Weitere Kostenlose Bücher