Zauber der Versuchung: Roman (German Edition)
vierzehn Tagen hier.« Gideon nickte einer Bekanntschaft zu, die ihn und Judith wissend anlächelte. »Ich wage nicht einmal, mir auszumalen, welche Darbietungen Lady Dinsmores wenig talentierte Nichten und Neffen für eine Gesellschaft von dieser Größe in petto haben. Gütiger Gott!« Ein Ausdruck blanken Entsetzens trat in sein Gesicht. »Sie wird sie doch hoffentlich nicht gemeinsam auftreten lassen, oder was meinst du? Als eine Art riesigen, atonalen Chor?«
»Sei nicht albern«, wies Judith ihn zurecht, konnte jedoch nicht umhin, zu grinsen. »Es ist ein Ball, nicht eine von Susannas üblichen Abendgesellschaften. Es gibt Musik und Tanz, und ich möchte wetten, dass keiner von ihren Verwandten genötigt wird, die Gäste mit Vorträgen zu quälen.«
»Gott sei Dank«, murmelte er und sah sie an. »Trotzdem hatte ich eher auf einen ruhigen Abend zu zweit gehofft. Es gibt eine Menge, worüber ich mit dir reden möchte.«
»Ach ja?«, fragte sie verwundert. »Irgendetwas ernsterer Natur?«
»Zutiefst ernst.« So leichthin er es auch sagte, sein Blick war tatsächlich von einem ungewöhnlichen Ernst. Er seufzte resigniert. »Es kann warten, vermute ich.«
»Ich bin nicht sicher, ob es mir gefällt, wenn du so ernst bist.«
»Dann werde ich mich für dich, und nur für dich, bemühen, den Rest des Abends fröhlich und ausgelassen zu sein«, erklärte er mit einem hoffnungsvollen Blick. »Für den kurzen Rest des Abends vielleicht?«
»Vielleicht. Aber...« Nichts täte sie lieber, als den Abend im Gespräch mit Gideon zu verbringen. Sich mit ihm zu unterhalten war beinahe ebenso angenehm, wie in seinen Armen zu liegen. Das war höchst seltsam. Je mehr sie mit ihm zusammen war, umso mehr wollte sie es. Aber ihnen blieb noch reichlich Zeit zu zweit, auch später an diesem Abend. Sie zuckte hilflos mit den Schultern. »Susanna plant diesen Ball seit Monaten. Sie gibt ihn zur Feier des Geburtstages ihrer Großmutter, musst du wissen.«
Gideon nickte in Richtung einer älteren Frau, die am anderen Ende des Ballsaales saß, umringt von anderen Gästen, die zweifellos allesamt mit ihr verwandt waren. »Jene Antiquität da hinten?«
Judith strengte sich an, nicht zu lachen. »Falls du die distinguierte ältere Dame meinst, ja, das ist die verwitwete Marquise, die Matriarchin von Susannas Familie.«
Gideon betrachtete sie. »Sie sieht aus, als hätte sie etwas Unverträgliches gegessen.«
»In ihrem Alter dürfte wohl alles unverträglich für sie sein«, sagte Judith, die ebenfalls zu der alten Dame sah. »Dennoch muss es schön sein, ein hohes Alter zu erreichen und von seinen Kindern und Kindeskindern umgeben zu sein. Familie, Menschen, die dich lieben und dich vermissen, wenn du von dieser Welt gehst.« Eine vertraute Sehnsucht schmerzte Judith, die sie gleich wieder verdrängte. Wie unsinnig, neidisch auf etwas zu sein, das man nie haben konnte!
Er wandte sich wieder zu ihr. »Du wirst auch vermisst werden.«
»Nicht so.« Ihre Stimme klang ärgerlich sehnsüchtig.
»Warum nicht?«
Sie schüttelte den Kopf. »Man muss die Realität des Lebens akzeptieren, Gideon, was sein kann, was sein wird und was niemals sein kann. Das eigene Schicksal, sozusagen. Und das, mein Lieber, ist ein viel zu ernstes Thema für heute Abend.« Mit diesen Worten tat sie alles Bedauern ab, das sie empfand, und warf ihm ein strahlendes Lächeln zu. »Und so gerne ich auch den Abend im Gespräch mit dir verbringen würde, wir sind tatsächlich hier gefangen. Auch verbietet es sich, allzu früh zu gehen, vor allem, weil Susanna sagte, dass die Königin später noch erwartet wird.«
»Ich bezweifle, dass unsere Abwesenheit von der Königin oder jemand anderem bemerkt würde, so viele Menschen wie hier sind.«
»Susanna würde es bemerken, und ich möchte sie um nichts in der Welt verletzen. Sie ist mir der teuerste Mensch auf der Welt.«
»Die teuerste Freundin auf der Welt«, raunte er leise.
Sie starrte ihn an. »Was für eine seltsame Bemerkung.«
»Du hast recht. Sie ist seltsam, unangebracht, und ich entschuldige mich dafür«, sagte er lächelnd. »Mir geht gerade vieles durch den Kopf.«
Nachdenklich sah sie ihn an. »Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte ich beinahe glauben, dass ein Hauch von Eifersucht in dieser Bemerkung lag.«
»Nur ein Hauch?«, fragte er lächelnd.
Judith verspürte keinerlei Verlangen, jemals wieder die Eifersucht eines Mannes zu erleben. Aber das hier war Gideon, der nicht die geringste
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