Zauber der Versuchung: Roman (German Edition)
Gerüchten beruht, oft übertrieben«, antwortete er gelassen und warf Judith einen Seitenblick zu. So regungslos, wie sie ihn ansah, wurde ihm klar, dass das, was er jetzt sagte, womöglich das Wichtigste war, was er je gesagt hatte.
»Ihre nicht«, verkündete Violet eifrig. »Nun, allein auf dieser Party waren mindestens drei...«
»Und du gabst dir größte Mühe, dafür zu sorgen, dass sie alle kommen. Gütiger Gott.« Er starrte sie fassungslos an. »Hast du Helmsley dasselbe angedeutet wie den anderen?«
»Sei nicht absurd!« Violet schüttelte den Kopf. »Er ist frisch vermählt. Wahrscheinlich wäre er dann gar nicht erschienen, obwohl man das bei Männern nie wissen kann.«
»Dann war es dir genug, Helmsley bloß hier zu haben?« Gideon betrachtete sie misstrauisch. »Und die anderen?«
»Du meine Güte, Gideon, ganz London spricht über dich und«, Violet bedachte Judith mit einem vernichtenden Blick, »diese Frau! Es ist eine Sache, von der Reputation einer Person zu hören, aber eine ganz andere, ihr gegenüberzustehen.«
»Was hattest du erwartet, das heute Abend hier geschieht, Violet?«, fragte Gideon streng. »Dachtest du, ich wäre schockiert? Wutentbrannt? Erhofftest du dir, dass ich ihr rasend vor Eifersucht in aller Öffentlichkeit Vorhaltungen wegen ihrer Vergangenheit mache?«
»Ich dachte, du würdest wieder zur Vernunft kommen«, antwortete Violet gereizt. »Ich dachte, du würdest sehen, wie falsch diese Frau für dich ist und dass es ein schrecklicher Fehler wäre, die Liaison fortzusetzen, denn damit ruinierst du dir deinen Ruf. Außerdem könnte sie dir nie die anständige Ehefrau sein, die du verdienst.«
»Und wenn ich gar keine anständige Ehefrau will?«, fragte er.
Violet stieß einen tonlosen Schrei aus. »Du kannst doch unmöglich mit dem Gedanken spielen, dieses Wesen zu heiraten?«
»Meine Pläne gehen dich nichts an!«, wies er sie barsch in ihre Schranken. »Dieses Recht hast du vor Jahren verwirkt. Ich werde zusammen sein, mit wem ich will, und falls das Heirat mit einschließt, dann tut deine Meinung, Violet, dabei überhaupt nichts zur Sache.«
Violet riss die Augen auf. »Also wirklich, Gideon, du kannst nicht...«
»Ich kann tun, was immer mir beliebt«, fiel er ihr ins Wort. »Und was Judiths Reputation betrifft, ganz gleich, was sie in der Vergangenheit tat oder nicht tat, es kümmert mich nicht. Im Gegenteil. Ich habe ihr ihre Indiskretionen längst vergeben, und mehr gibt in dieser Angelegenheit nicht zu sagen.«
»Oh, doch, da gibt es noch sehr viel mehr zu sagen«, begann Violet. »Ich denke...«
»Ich denke, wir alle haben bereits viel zu viel gesagt, mehr als genug, würde ich meinen«, erklärte Judith bestimmt. »Meine liebe Lady Braxton, Sie dürfen sich so viel über meine Reputation auslassen, wie es Ihnen beliebt, aber ich habe niemals einen Gentleman in irgendeiner Weise missbraucht oder getäuscht. Und erst recht nutzte ich niemandes Zuneigung aus, um meine Ziele zu erreichen.« Judith lächelte höflich, doch ihre blauen Augen blieben eiskalt. »Können Sie dasselbe von sich behaupten?«
Violet platzte beinahe vor Wut. »Falls Sie auf das anspielen, was vor Jahren geschah...«
»Und angesichts Ihres jüngsten Verhaltens scheinen Sie sich nicht besonders verändert zu haben.« Judith wandte sich an Gideon. »Ich würde jetzt gern gehen.«
»Genau wie ich.« Er nickte, und sie gingen zur Tür.
»Gideon, du kannst nicht einfach gehen«, rief Violet ihm nach. »Wir haben noch etwas zu bereden.«
Er trat zur Seite, um Judith den Vortritt nach draußen zu lassen, und drehte sich zu Violet um. »Ich dachte, ich hätte mich bereits klar ausgedrückt, Violet. Es gibt nichts mehr zu sagen. Guten Abend.« Mit diesen Worten ging er hinaus, schloss die Tür hinter sich und ließ eine wutentbrannte Violet zurück. Ihm erschien es, als hätte er die Tür zu seiner Vergangenheit ebenfalls ein für allemal geschlossen, und es war ein erhebendes, ja, nachgerade befreiendes Gefühl.
Auf der Heimfahrt zu ihrem Haus war Judith ungewöhnlich ruhig, und Gideon hielt es für das Beste, sie ihren Gedanken zu überlassen. Wie er es bereits geahnt hatte, war der Abend ein Desaster gewesen. Trotzdem war er nicht gänzlich unangenehm verlaufen, denn das Zwischenspiel im Billardzimmer hatte ihn für einiges entschädigt. Er lächelte vor sich hin.
Bei Gott, etwas Derartiges hatte er noch nie zuvor getan. Es war höchst unzivilisiert, und er genoss die Erinnerung
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