Zauber der Versuchung: Roman (German Edition)
»Jetzt bist du irrational.«
»Nicht mehr als du. Du willst die Wahrheit von mir, Judith, also gut, hier ist sie«, sagte er kühl. »Ich kann vergeben, über das hinwegsehen, ignorieren – welches Wort du auch immer bevorzugst -, was in deiner Vergangenheit war, aber ich kann sie nicht vollständig vergessen.« Er dachte einen Moment nach. »Dafür ist mein Charakter nicht stark genug.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Dann haben wir nichts weiter zu besprechen.«
»Wir haben eine Menge zu besprechen. Das, was zwischen uns ist, verläuft ausschließlich zu deinen Bedingungen. So war es von Anfang an, und mir reicht es.«
»Was meinst du?«, fragte sie, obgleich sie nur zu gut wusste, was er meinte. Hatte Susanna sie nicht zu Beginn schon genau davor gewarnt?
»Du legst Grenzen fest, Erwartungen, Einschränkungen, Regeln oder wie du es gerade nennen willst. Ich hatte nie etwas zu sagen, und ich bin deiner Festlegungen überdrüssig«, erklärte er, seine Augen funkelnd vor Zorn.
»Es schien dir anfangs nichts auszumachen«, erwiderte sie trotzig.
»Nein, tat es auch nicht. Jetzt hingegen tut es das.«
»Warum?«
»Weil nichts mehr so ist wie zu Anfang. Teufel noch mal, Judith, was immer das zwischen uns sein sollte, es ist heute etwas vollkommen anderes. Die Erwartungen, meine Erwartungen , meine Wünsche, wenn du so willst, haben sich geändert, und ich beabsichtige nicht, mich weiterhin an deine willkürlichen Regeln zu halten.«
»Ich verstehe nicht, was du meinst.«
»Nein?« Er schnaubte ungläubig. »Zum Beispiel, dass ich offensichtlich nicht eifersüchtig auf die Männer sein darf, die vor mir kamen.«
»Ich habe nie gesagt...«
»Nein, Lady Dinsmore erzählte es mir, und ich bin ihr dafür verdammt dankbar.« Er packte sie beim Handgelenk und hielt ihre Hand in die Höhe. »Ist es deshalb?«
»Lass mich los!« Sie versuchte, ihm die Hand zu entwinden, doch er hielt sie fest.
»Dein kleiner Finger ist ganz leicht gekrümmt, was niemandem auffallen dürfte, der diesen Finger noch nicht geküsst hat. Aber ich habe es, und ich kenne solche Krümmungen von Leuten, die sich einen Finger gebrochen hatten. Oder vielmehr, denen ein Finger gebrochen wurde.« Er sah ihr in die Augen. »Wer hat dir das angetan?«
»Niemand«, log sie. »Es war ein Unfall.«
»Wohl kaum«, sagte er kopfschüttelnd. »Du warst ein beschütztes, verwöhntes kleines Mädchen, und verwöhnte kleine Mädchen brechen sich selten die Finger. Und wäre es ein Unfall gewesen, hätte man den Finger geschient, was bei diesem nicht gemacht wurde.«
»Es war ein Unfall«, beharrte sie, die Worte zwischen zusammengebissenen Zähnen herauspressend.
Doch er hörte ihr nicht zu. »Helmsley kann es nicht gewesen sein. Ich habe noch nie erlebt, dass er im Zorn handgreiflich wird. Er ist nicht der Mann, der einer Frau wehtun würde, nicht einmal unabsichtlich.« Es war eher ein lautes Nachdenken, als versuchte er, das Rätsel für sich zu lösen, und Judith bekam Angst. »Und sollte meine Menschenkenntnis mich nicht ganz furchtbar täuschen, kommen weder Mountford noch Nottingdon infrage. Zudem wärst du kaum mehr so herzlich zu ihnen, wäre es einer von ihnen gewesen.«
»Lass mich los!«, zischte sie.
»Guter Gott, es war dein Mann, nicht wahr?« Auf einmal schien er alles zu begreifen, und Judiths Magen krampfte sich unangenehm zusammen. »War er eifersüchtig? Ist es das?«
»Hör auf damit!«
»Was hat er dir noch angetan?«, fragte Gideon streng.
»Nichts!« Sie riss sich von ihm los und wich zurück. »Er war mein Seelenverwandter, die Liebe meines Lebens!«
»Du warst siebzehn Jahre alt! Was wusstest du denn von der Liebe?«
»Er liebte mich! Ich liebte ihn!«
»Es klingt unglaubwürdig, und ehrlich gesagt, Judith, das tat es von Anfang an«, erwiderte er nachdenklich. »Jetzt ergibt alles einen Sinn. Warum du nie über ihn oder über deine Ehe sprichst. Ich hätte es längst erkennen müssen.«
»Trotzdem...«
»Wen versuchst du zu überzeugen?«, fragte er, und hatte einen Ausdruck in den Augen, den sie nicht zu deuten vermochte. Wut vielleicht oder Mitleid oder beides. Sie wollte sein Mitleid nicht, und seine Wut war ihr erst recht egal. »Mich oder dich selbst?«
Ohne nachzudenken, holte sie mit der Hand aus, um ihn zu ohrfeigen. Doch er fing sie ab und nahm Judith in die Arme. »Ich spiele nicht mehr nach deinen Regeln.«
»Dann ist das Spiel vorbei!«, sagte sie wütend.
»O nein, so leicht werde ich es dir
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