Zauber der Wellen - Feehan, C: Zauber der Wellen - Oceans of Fire (3 - Abigail)
wenn ich damit rechnen muss, dass er dort draußen ist.«
»In meinem Land ist eine Messerklinge oft mit Gift überzogen, damit ein winziger Schnitt, und sei es auch nur ein oberflächlicher Kratzer, tödlich ist.« Sogar in der Deckung des Gestrüpps nahm Aleksandr eine kauernde Haltung ein und sprach mit gesenkter Stimme. »Prakenskij ist beim Angriff mit beiden Händen gleichermaßen geschickt. Ich habe selten jemanden erlebt, der genug Erfahrung gehabt hätte, um im Nahkampf eine Chance gegen ihn zu haben.«
»Ich habe nicht vor, Jagd auf ihn zu machen«, sagte Jackson, »sondern euch beide zu beschützen.«
»Falls Sie doch schießen müssen, sieht er das Mündungsfeuer und weiß genau, wo Sie sind.« Aleksandr wusste nicht, wie er dem Deputy bewusst machen sollte, wie gefährlich Prakenskij wirklich war. Jacksons Augen waren schwarz, matt, kalt und leer. Sein Gesicht war vollkommen ausdruckslos und nichts, was der Interpolagent sagte, schien ihn aus der Fassung zu bringen. Aleksandr kannte diesen Blick nur zu gut. Wenn er in den Spiegel schaute, sahen ihn eben diese toten Augen an.
»Jackson weiß, was er tut.« Jonas reichte ihm ein Nachtfernglas. »Möglicherweise kannst du es gebrauchen.«
»Danke.«
»Ich werde sie mit grellem Licht anstrahlen, wenn sie alle ein gutes Stück weit vom Boot entfernt sind«, sagte Jonas und hielt einen Flutlichtscheinwerfer hoch. »Warte, bis ich ihnen gesagt habe, dass sie verhaftet sind.«
»Damit habe ich kein Problem.«
»Dann lass uns jetzt gehen«, sagte Jonas.
Jonas kannte die Gegend gut, und daher blieb Aleksandr hinter ihm und überließ ihm die Führung. Sie hielten sich im Schatten des Laubs und mieden den Mondschein, als sie sich auf dem unebenen Boden einen Weg zum Zaun bahnten. Nacheinander kletterten sie über den Stacheldraht, mit langsamen, flüssigen Bewegungen, um mit den übrigen Schatten zu verschmelzen, die ständig in Bewegung waren. Der Wind begleitete sie und zerzauste sanft die Sträucher, damit sie ständig in Bewegung waren und dazu beitrugen, das Auge eines Betrachters zu verwirren.
Jonas nahm eine gebückte Haltung ein, als der Boden anzusteigen begann. Er bewegte sich jetzt flinker, um schneller voranzukommen und seinen Posten zu beziehen. Aleksandr trennte sich von ihm und begab sich weiter nach links, als sie auf die andere Seite des kleinen Hügels gelangten und es bergab ging. Die Bucht, die sich zwischen zwei Klippen schmiegte, kam in Sicht. Windgepeitschte Zypressen bedeckten die Spitzen beider Klippen, doch ein Felsvorsprung ragte in Richtung Meer und schützte die Bucht vor neugierigen Blicken. Die Gegend war mit Bäumen und Sträuchern und wild wachsenden Blumen überzogen, die überall aus dem Boden schossen. Wellen schlugen auf den sandigen Uferstreifen, aus dem da und dort Felsen ragten. Krumme Gebilde aus Treibholz, die auf dem Sand verstreut lagen, nahmen finstere, unheimliche Umrisse an. Das Tosen des Meeres war laut und hallte durch die geschützte kleine Bucht. Gischt sprühte hoch an den Klippen auf.
Aleksandr kauerte sich hin und kroch so dicht wie möglich an den Rand der Sträucher, die ihm Deckung gaben. Dort standen zwei Felsbrocken dicht nebeneinander, und er nutzte sie zu seinem Vorteil und legte sich flach dahinter, denn die Lücke dazwischen bot ihm einen perfekten Ausblick auf die Bucht und das Meer. Die Vorstellung, dass Prakenskij mit einem Fernglas und einem Gewehr irgendwo über ihm auf der Lauer lag, ließ
das allzu vertraute Jucken zwischen seinen Schulterblättern einsetzen. Er rührte sich nicht und machte auch nicht den Fehler, sich nach einer besseren Deckung umzusehen, sondern hielt seinen Blick fest aufs Meer gerichtet.
Die Minuten vergingen. Erst fünfzehn. Dann dreißig. Dann eine Stunde. Die Nachtluft strich kühl über seine Haut. Er warf wieder einen Blick auf seine Armbanduhr. Möglicherweise irrte er sich. Es konnte gut sein, dass sie in der falschen Bucht warteten. Oder dass es die falsche Nacht war, dass er die Zeichen vollständig falsch gedeutet hatte. Er blieb still liegen und war dankbar dafür, dass Jonas sich so professionell verhielt. Der Sheriff gab keinen Mucks von sich.
Der Wind wehte stärker und zerzauste sein Haar und die Gräser um ihn herum. Er hörte leisen Gesang, weibliche Stimmen, die von der Brise zu ihm getragen wurden. Die Worte waren unverständlich, aber die Klänge schlichen sich als Warnung in seinen Verstand ein. Mit einer langsamen und vorsichtigen Bewegung
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