Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler
Weber-Straße geht, wo wir nach Stoffen…« Ihre Stimme versiegte, als sie den Gesichtsausdruck ihrer Mutter sah. Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und flitzte aus dem Zimmer.
Kaum war sie außer Sicht, lachte Kyle dröhnend auf. Er hätte Keffria mit nichts anderem mehr verletzen können. Und noch schlimmer war: Als er ihre Miene bemerkte, sah er seinen Irrtum nicht ein, sondern lachte noch lauter. »Wenn du dein Gesicht sehen könntest«, brachte er schließlich heraus. »Du bist ja so wütend, dass deine Tochter dich ausgetrickst hat! Aber was kann ich daran ändern? Du weißt, dass sie immer schon mein Liebling gewesen ist. Und außerdem, welchen Schaden kann es eigentlich anrichten?«
»Es kann ihr Aufmerksamkeit einbringen, mit der umzugehen sie noch nicht gelernt hat. Kyle, wenn eine Frau in ihrem ersten Abendkleid zum Herbstball geht, dann hat es damit mehr auf sich als nur eine Bahn mehr Stoff am Saum. Sie wird damit Bingtown offiziell als Frau aus ihrer Familie präsentiert. Und das bedeutet, dass sie sich im heiratsfähigen Alter befindet und ihre Familie in Betracht zieht, Heiratsangebote zu überdenken.«
»Ach wirklich?«, fragte Kyle unbehaglich. »Wir müssen ja nicht annehmen.«
»Sie wird zum Tanzen aufgefordert werden«, fuhr Keffria unerbittlich fort. »Und zwar nicht von Jungen ihres Alters, mit denen sie bisher getanzt hat. Denn sie werden nach wie vor als Jungen betrachtet. Sie jedoch wird als eine junge Frau angesehen. Sie wird mit Männern tanzen, mit jungen und alten. Und sie ist nicht nur eine ziemlich mittelmäßige Tänzerin, sondern ihr wurde auch nicht beigebracht, wie man sich mit Männern unterhält oder wie sie mit Aufmerksamkeiten umgeht, die… unerwünscht sind. Sie wird vielleicht unangemessene Annäherungsversuche herausfordern, ohne es überhaupt zu bemerken. Schlimmer noch, ein nervöses Lächeln oder ein albernes Kichern könnte sogar als Ermunterung ausgelegt werden. Ich wünschte, du hättest es mit mir besprochen, bevor du es ihr erlaubt hast.«
Unvermittelt schlug Kyles Unbehagen in Verärgerung um. Er stand abrupt auf und warf die Serviette auf den Tisch.
»Verstehe. Vielleicht sollte ich einfach auf dem Schiff bleiben, damit ich es vermeide, dir Unannehmlichkeiten zu bereiten, während du das Schicksal unserer Familie in die Hand nimmst! Du scheinst zu vergessen, dass Malta genauso meine Tochter ist wie deine. Wenn sie zwölf ist, man ihr bisher noch keine Manieren beigebracht hat und sie nicht das Tanzen lehrte, dann solltest du dich vielleicht selbst dafür tadeln! Erst hast du meinen Sohn weggeschickt, damit er Priester wird, und jetzt tust du, als sollte ich auch nicht mitreden, wie meine Tochter erzogen wird!«
Keffria war bereits aufgesprungen und packte seinen Ärmel.
»Kyle! Bitte! Komm zurück und setz dich wieder hin. Das habe ich doch gar nicht gemeint. Natürlich möchte ich, dass du mir bei der Erziehung unserer Kinder hilfst. Es ist nur einfach so, dass wir vorsichtig sein müssen, was Maltas Ruf angeht, wenn wir wollen, dass sie als eine ordentlich erzogene junge Frau gilt.«
Aber Kyle ließ sich nicht beschwichtigen. »Dann schlage ich vor, dass du ihr Manieren beibringst und ihr Tanzunterricht geben lässt, statt sie irgendwelche Stickereien machen zu lassen. Und was mich angeht, ich muss mich um ein Schiff kümmern. Und einen jungen Mann zurechtbiegen. Und das nur wegen einer Entscheidung, bei der ich überhaupt nichts zu sagen hatte.«
Er schüttelte sie ab, als verscheuche er eine Fliege, und stürmte aus dem Zimmer. Keffria blieb stehen und schlug die Hände vor den Mund.
Nach einer Weile sank sie langsam auf ihren Stuhl zurück. Sie atmete mehrmals tief durch und rieb sich dann die schmerzenden Schläfen mit den Händen. Ihre Augen brannten, aber sie konnte nicht weinen. In letzter Zeit herrschte soviel Spannung, gab es soviel Streit. Ihr kam es vor, als gebe es keinen einzigen Augenblick des Friedens in ihrem Haus. Sie sehnte sich zurück nach der Zeit, als ihr Vater noch gesund gewesen war und er mit Althea segelte, während sie und ihre Mutter daheimblieben und sich um Haus und Kinder kümmerten.
Wenn Kyle dann wieder in den Hafen eingelaufen war, war es immer wie Ferien gewesen. Damals war er der Kapitän der Daring gewesen. Alle wussten nur Gutes über ihn zu berichten, sagten, wie gutaussehend er sei, wie hinreissend er wirkte. Seine Tage zu Haus verbrachten sie entweder in ihrem Schlafzimmer oder spazierten Arm in Arm
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