Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler
und das Leinentuch beiseite. Sie wusste, dass sie ihn schlafen lassen sollte. Mehr konnte sie nicht für ihn tun. Ihn sauberhalten, ihm Medizin gegen seine Schmerzen geben und ihn ansonsten schlafen lassen. Sie dachte verbittert an all die Pläne, die sie zusammen geschmiedet hatten, wie sie bis zur Morgendämmerung auf ihrem breiten Bett gelegen hatten, die erdrückenden Laken weggeschoben und die Fenster weit geöffnet, um die kühle Nachtluft hereinzulassen.
»Wenn die Mädchen erwachsen sind«, hatte er ihr versprochen, »gut verheiratet und versorgt und mit einem eigenen Leben, dann, mein Schatz, dann nehmen wir unser altes Leben wieder auf. Ich habe vor, dich mit auf die Parfüminseln zu nehmen.
Würde dir das gefallen? Zwölf Monate saubere, salzige Luft und nichts anderes zu tun, als die Lady des Kapitäns zu sein?
Und dann, wenn wir dort sind, nun, dann werden wir uns nicht gerade beeilen, die Ladung aufzunehmen. Wir gehen zusammen in die Grünen Berge. Ich kenne einen Häuptling, der mich oft eingeladen hat, ihn zu besuchen und sich sein Dorf anzusehen. Wir könnten auf diesen niedlichen kleinen Eseln hinaufreiten, die sie dort haben, bis zum Rand des Himmels, und dann…«
»Ich würde lieber mit dir zu Hause bleiben«, hatte sie dann immer geantwortet. »Ich hätte dich lieber ein ganzes Jahr zu Hause bei mir, so dass wir beide gemeinsam einen ganzen Wechsel der Jahreszeiten erleben. Wir könnten im Frühling auf unseren Besitz in den Bergen gehen. Du hast ihn noch nie gesehen, wenn die Bäume über und über mit roten und orangefarbenen Blüten bedeckt sind. Sie sind so voll, dass man kein einziges grünes Blatt dazwischen sieht. Und einmal, einmal möchte ich, dass du mit mir leidest, wenn wir die Mafe-Ernte einbringen. Jeden Morgen vor Anbruch der Dämmerung aufstehen, die Arbeiter wecken, damit sie die reifen Bohnen pflücken, bevor die Sonne sie berührt und schrumpfen lässt. Wir sind seit sechsunddreißig Jahren verheiratet, und du hast mir noch kein einziges Mal dabei geholfen. Und wenn ich so darüber nachdenke, dann warst du in all den Jahren, die wir verheiratet sind, auch kein einziges Mal zu Hause und hast unseren Hochzeitsbaum blühen sehen. Du hast niemals die kleinen rosa Blüten gesehen, die schwellen, sich öffnen und so schön duften.«
»Oh, dafür gibt es noch Zeit genug. Zeit genug für Blumensträußchen und Landarbeit, wenn die Mädchen erwachsen und die Schulden abgezahlt sind.«
»Und dann bekomme ich aber ein Jahr mit dir, und zwar ganz für mich allein«, hatte sie ihm gedroht. Und wie immer hatte er ihr versprochen: »Ein ganzes Jahr mit mir allein. Du wirst mich wahrscheinlich reichlich satt haben, lange bevor es vorbei ist. Du wirst mich anflehen, dass ich wieder zur See fahre und dich nachts in Frieden schlafen lasse.«
Ronica senkte den Kopf und hob die Hände vors Gesicht. Jetzt hatte sie ihr Jahr mit ihm zu Hause. Aber ihr barmherzigen Götter, was war das für eine Art, ihren Wunsch zu erfüllen? Er hatte den ganzen Herbst gehustet und gejammert und den ganzen Tag fiebernd und rotäugig in ihrem Bett gelegen und aus dem Fenster aufs Meer gestarrt, wenn es ihm gut genug ging, dass er aufrecht sitzen konnte. »Er sollte gut auf sie aufpassen«, knurrte er, wenn auch nur ein einziges dunkles Wölkchen am Himmel auftauchte. Dann wusste Ronica, dass er mit den Gedanken bei Althea und der Viviace war. Er hatte so lange gezögert, Kyle das Schiff zu übergeben. Er hatte es Brashen geben wollen, einem unerfahrenen Jungen. Es hatte Ronica Wochen der Auseinandersetzung mit ihm gekostet, damit er einsah, wie das in der Stadt wirken würde. Kyle war doch sein eigener Schwiegersohn und hatte sich als Kapitän auf drei anderen Schiffen bewiesen. Wenn er ihn überging und Brashen die Verantwortung für die Viviace gab, dann war das ein Schlag ins Gesicht für den Ehemann seiner Tochter. Ganz zu schweigen davon, was es für die Familie bedeutet hätte. Auch wenn die Havens keine alte Händlerfamilie in Bingtown waren, lebten sie doch schon lange in der Stadt. Und so wie sich die finanzielle Lage der Vestrits in letzter Zeit entwickelte, konnten sie es sich nicht leisten, jemanden zu beleidigen. Also hatte sie ihn im letzten Frühherbst überredet, seine kostbare Viviace Kyle zu übergeben und einen Törn auszusetzen, damit seine Lungen sich wieder kräftigen konnten.
Als der Winter den Himmel verdunkelte und die Straßen mit seiner weißen Hülle bedeckte, hatte er aufgehört
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