Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
schläfrig den Kopf hob, sah er sie finster an. Heute wollte er nicht, dass sich jemand einmischte. »Schlaf weiter!«, befahl er. »Wenn ich dich brauche, sage ich es dir.«
Doch statt beleidigt zu sein, lächelte sie ihn zärtlich und etwas benommen an und schloss die Augen. Dass sie seine Unabhängigkeit so ruhig akzeptierte, machte ihn fast ärgerlich.
Wenigstens akzeptierte sie endlich, dass er nicht bei allem ihre Hilfe brauchte. In den Wochen seiner Genesung war sie bis zum Überdruss hilfreich gewesen. Manchmal musste er sie sogar anschreien, bis sie sich zurückzog und ihn in Ruhe ließ.
Er griff nach dem Holzbein, das neben dem Bett stand, und steckte den Stumpen in die Ledermulde am oberen Ende. Der Lederharnisch, mit dem das Bein an seinem Körper befestigt wurde, wirkte zwar immer noch etwas unhandlich, aber er gewöhnte sich allmählich daran. Seine Hose darüber zu ziehen war jedoch eine ganz andere Angelegenheit. Er runzelte die Stirn. Die Frau musste eine bessere Lösung finden. Das würde er ihr gleich morgen früh klarmachen. An seinem Gürtel hing jetzt nur noch ein langer Dolch. Ein Schwert war für einen Mann, der auf einem Bein balancieren musste, eine nutzlose Eitelkeit. Er zog seinen Stiefel an und nahm die Krücke vom Bettrand. Dann humpelte er geräuschvoll durch die Kajüte. Während er vorsichtig das Gleichgewicht hielt, knöpfte er sein Hemd zu, zog eine Weste an und warf einen Cordmantel darüber. In seine Hosentaschen steckte er ein sauberes Taschentuch und seine üblichen Utensilien. Er schlug den Kragen um und überzeugte sich, dass die Manschetten ordentlich saßen. Nachdem er die Krücke fest unter seine Schulter gepresst hatte, verließ er die Kabine und zog die Tür leise hinter sich zu.
Auf dem ankernden Schiff war alles friedlich. Das Schiff war gewissenhafter und fuhr viel besser, nachdem er in Divvytown die Mannschaft reduziert hatte. Die meisten geretteten Sklaven waren froh gewesen, das überfüllte Schiff verlassen zu dürfen. Einige hatten bleiben wollen; er hatte sie sehr genau unter die Lupe genommen. Manche waren einfach keine guten Seeleute. Andere waren zu gereizt. Nicht alle mit mehreren Tätowierungen auf dem Gesicht waren Freigeister, die sich der Sklaverei nicht beugen wollten. Einige waren einfach zu dumm, um ihre Aufgaben ordentlich zu erledigen. Die wollte er genauso wenig, wie ihre früheren Eigentümer sie hatten behalten wollen. Ein Dutzend ehemaliger Sklaven hatte darauf bestanden, an Bord zu bleiben. Vermutlich Opfer von Sa'Adars Einfluss. Kennit hatte es ihnen gnädigerweise erlaubt. Es war seine einzige Konzession an ihre Forderung, das Schiff zu besitzen. Zweifellos hofften sie auf mehr. Und genauso zweifellos würden sie enttäuscht werden. Drei andere hatte er aus persönlichen Gründen an Bord behalten. Sie würden heute ihren Zweck erfüllen.
Ankle lehnte an der vorderen Reling. Nicht weit von ihr schlief Wintrow tief und fest den Schlaf des Erschöpften. Kennit lächelte. Brig hatte seine Aufforderung, den Jungen ein paar Tage zu beschäftigen, sehr wörtlich genommen. Das Mädchen drehte sich um, als es das Pochen seines Holzbeins auf dem Deck hörte. Angsterfüllt sah sie zu, wie er näher kam. Sie war nicht mehr so furchtsam, wie sie noch am Anfang gewesen war. Ein paar Tage nach der Kaperung des Schiffes hatte Etta dem Treiben der befreiten Männer und der Mannschaft Einhalt geboten. Sie benutzten sie für ihre sexuellen Gelüste. Das Mädchen hatte anscheinend nichts dagegen gehabt, also hatte Kennit kein Problem darin gesehen. Aber Etta hatte darauf bestanden, dass sie von dem Missbrauch zu sehr mitgenommen war, um zu wissen, wie sie sich dagegen wehren konnte. Später hatte Wintrow ihm gesagt, was er von dem Mädchen wusste. Ankle war in dem Frachtraum verrückt geworden und hatte sich verkrüppelt, weil sie sich ständig gegen ihre Fußfesseln gewehrt hatte. Wintrow glaubte, dass sie noch ganz normal gewesen war, bevor man sie unter Deck gesteckt hatte. Niemand an Bord schien etwas über sie zu wissen, nicht einmal ihren Namen oder ihr Alter. Es ist eine Schande, dass sie den Verstand verloren hat, dachte Kennit. Sie würde immer humpeln. Sie war noch schlimmer als nutzlos an Bord des Schiffes, denn sie verbrauchte Nahrung und nahm Raum ein, den man einem fähigen Matrosen hätte geben können. Er hätte sie in Divvytown an Land gesetzt, wenn sich Etta und Wintrow nicht für sie eingesetzt hätten. Als sich auch noch Viviace für sie
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