Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
etwas zu sagen oder Kennit auch nur anzusehen.
Wintrow starrte ihr nach. Das konnte doch nicht wahr sein!
Nichts ergab Sinn.
»Also?« Mit einem eisigen Blick seiner blauen Augen musterte Kennit Wintrow von Kopf bis Fuß.
Der Junge stand auf. Sein Mund war trocken. »Sir, ich glaube nicht, dass Ihr Etta wegschicken solltet, nicht einmal zu ihrer eigenen Sicherheit. Stattdessen sollten wir Althea vom Schiff herunterbringen. Ihr Verstand ist verwirrt. Bitte, Sir, habt Erbarmen mit der armen Frau und lasst mich sie nach Hause schicken. Wir sind nur noch wenige Tage von Divvytown entfernt, und ich könnte ihr eine Passage auf einem der Handelsschiffe besorgen, die jetzt nach Divvytown kommen. Je eher sie von Bord geht, desto besser für uns alle.«
»Ach wirklich?«, fragte Kennit trocken. »Und wie kommst du darauf, dass du darüber mit zu entscheiden hast, was ich mit Althea mache?«
Wintrow verstummte. Kennits Frage betäubte ihn.
»Sie gehört mir, Wintrow. Und ich mache mit ihr, was ich will.« Kennit wandte sich ab und begann sich auszuziehen.
»Hol mir ein Hemd. Mehr verlange ich nicht von dir. Du musst weder denken noch entscheiden, ja nicht einmal betteln. Hol mir ein sauberes Hemd und leg mir eine Hose heraus. Außerdem brauche ich etwas, um diese Wunde zu reinigen.«
Während Kennit sprach, knöpfte er sein schmutziges Hemd auf. Seine Jacke lag bereits auf dem Boden. Wintrow gehorchte, ohne nachzudenken. Die Wut, die ihn gepackt hatte, ließ keinen anderen Gedanken zu. Er legte die Kleidung heraus und holte dann ein sauberes Tuch und Wasser. Die Wunde war klein und hatte sich schon fast geschlossen. Kennit wischte sich das Blut von der Stirn und warf dann das feuchte Tuch achtlos auf den Boden. Wintrow hob es schweigend auf. Als er es in das Becken fallen ließ, fand er die Fassung wieder, um etwas zu sagen.
»Sir. Das ist keine gute Zeit um Etta wegzuschicken. Sie sollte hier sein. Bei Euch.«
»Das sehe ich anders«, erwiderte Kennit träge. Er hielt Wintrow die Manschettenknöpfe für sein Hemd hin. »Ich ziehe Althea vor. Und ich will sie hier behalten, Wintrow. Du solltest dich am besten gleich an diese Vorstellung gewöhnen.«
Wintrow war entsetzt. »Wollt Ihr Althea gegen ihren Willen auf dem Schiff behalten, während Ihr Etta auf Sorcors Schiff verbannt?«
»Ich tue das nicht gegen ihren Willen, falls es das ist, was dich so aufregt. Deine Tante hat bereits zu erkennen gegeben, dass sie mich durchaus attraktiv findet. Sie wird bald lernen, ihre Rolle an meiner Seite zu akzeptieren. Der kleine Vorfall heute war nur eine… Verirrung. Sie braucht bloß noch etwas Zeit, um sich auszuruhen und die Veränderungen in ihrem Leben zu verarbeiten. Du brauchst dir ihretwegen keine Sorgen zu machen.«
»Ich will sie sehen. Ich will mit ihr reden… Was war das?«
Wintrow hob den Kopf.
»Ich habe nichts gehört«, erwiderte Kennit verächtlich.
»Vielleicht solltest du Etta an Bord der Marietta Gesellschaft leisten, bis…« Jetzt jedoch hielt er mitten im Satz inne. Seine Augen weiteten sich unwillkürlich.
»Ihr habt es auch gefühlt«, sagte Wintrow anklagend. »Ein Kampf. Ein Kampf innerhalb des Schiffes selbst.«
»Ich habe nichts dergleichen gespürt!«, widersprach Kennit hitzig.
»Etwas passiert«, erklärte Wintrow. Blitz hatte ihn gelehrt, seine enge Verbindung zu dem Schiff zu fürchten. Er fühlte, wie diese Verbindung zu Viviace klang wie eine überspannte Saite, aber er fürchtete sich immer noch, nach ihr zu greifen.
»Ich fühle nichts«, wiederholte der Pirat verächtlich. »Das bildest du dir nur ein.«
»Kennit! Kennit!« Es war ein langgezogener Schrei, dessen schiere Intensität schon bedrohlich wirkte. Wintrow fühlte, wie sich seine Nackenhaare aufrichteten.
Kennit warf hastig seine saubere Jacke über. »Ich sollte wohl besser gehen und nachsehen, worum es geht«, erklärte er.
Wintrow spürte jedoch, das seine Gelassenheit nur vorgetäuscht war. »Vermutlich hat der kleine Zwischenfall mit Althea das Schiff beunruhigt.«
Wintrow antwortete nicht, sondern hielt Kennit einfach nur die Tür auf. Der Pirat hastete an ihm vorbei. Wintrow folgte ihm langsamer. Als er an Altheas Kabine vorbeiging, hörte er eine murmelnde Stimme. Er blieb stehen und legte das Ohr an die Tür. Die arme Frau redet mit sich selbst, dachte er. Aber ihre Stimme war so leise und sie sprach so schnell, dass er die Worte nicht verstehen konnte. »Althea!«, rief er und rüttelte an der Tür. Aber
Weitere Kostenlose Bücher