Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche
auch sie geschaffen. Wenn ich mit ihr zusammen bin, bin ich in gewisser Weise mit dir zusammen.« Er hoffte, dass ihr das schmeichelte. Er hielt den Atem an und wartete.
Es war dunkler geworden. Die Schlangen waren zu körperlosen Geräuschen geworden, und ihr merkwürdiger Gesang mischte sich mit dem gelegentlichen Platschen, wenn sie vorüberglitten. Als es schließlich vollkommen düster war, erleuchtete nur noch das kurze Aufblitzen ihrer glänzenden, schuppigen Körper das Wasser um das Schiff.
»Du hast Paragon getötet«, sagte sie ruhig. »Das weiß ich. Blitz hat es gesehen. Ich habe ihre Erinnerungen.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich habe Paragon geholfen zu sterben. Das war sein Wunsch. Es war das, was er schon so viele Male vorher hatte tun wollen. Ich habe es ihm nur einfacher gemacht.«
»Brashen war mir sehr lieb.« Die Stimme des Schiffes klang erstickt.
»Das tut mir Leid. Ich wusste es nicht. Auf jeden Fall war der Mann ein echter Kapitän bis zum bitteren Ende. Er wollte das Schiff nicht verlassen.« Er legte bedauernde Bewunderung in seine Worte und fuhr ruhiger fort: »Du hast Blitzens Erinnerungen. Dann wirst du dich auch daran erinnern, dass sie Altheas Tod wollte. Das habe ich ihr verweigert. Was weiß sie von Altheas ›Vergewaltigung‹?« Er hauchte das Wort nur.
»Nichts«, gab das Schiff zu. »Sie weigerte sich, mit Althea Verbindung aufzunehmen. Aber ich weiß, was Althea erinnert.«
Er war so erleichtert, dass seine Worte beinahe liebevoll klangen. »Und Althea erinnert sich bloß an einen Albtraum, an einen Mohnsiruptraum, nicht an die Wirklichkeit. Solche Träume sind besonders lebhaft. Ich kann weder dir noch ihr einen Vorwurf machen, dass ihr geglaubt habt, ihre Träume wären real. Ich werfe es mir selbst vor. Ich hätte ihr keinen Mohnsirup geben sollen. Ich wollte ihr nichts Böses antun, sondern ihr nur Ruhe geben und Zeit, damit sie die Tragödie verarbeiten kann, die ihr Leben verändert hat.«
»Kennit, Kennit!« Das Schiff klang nicht überzeugt. »Du warst mir sehr lieb. Allein der Versuch, mir vorzustellen, dass du zu einer solchen Tat fähig sein könntest, schmerzt mich. Wenn ich zugeben muss, dass du etwas so Schreckliches getan haben könntest, müsste ich auch zugeben, dass ich von dir die ganze Zeit betrogen und hintergangen worden bin. Wenn es wahr ist, dann machst du aus allem, was zwischen uns gewesen ist, eine Lüge.« Ihre Stimme sank zu einem Flüstern herab.
»Bitte, bitte sage mir, dass sie sich irrt. Sag mir, dass du niemals etwas so Widerwärtiges tun würdest.«
Wenn man stark genug wünscht, dass etwas wahr wird, wird es wahr. »Ich werde dir meinen Beweis zeigen. Ich lasse Althea und Jek zu dir bringen. Du wirst selbst sehen, dass sie in meiner Obhut keinen Schaden erlitten haben. Althea hat vielleicht ein paar blaue Flecken«, er lachte spöttisch, »aber vermutlich weniger, als sie mir zugefügt hat. Sie ist zwar keine große Frau, aber dafür sehr lebhaft.«
Das Schiff lächelte schwach. »Das ist sie. Und das war sie immer. Du wirst sie herholen lassen?«
»Sofort«, versprach er. Er drehte den Kopf, als Wintrow auf das Vordeck trat. Kennit beobachtete das Gesicht des Jungen, als er die veränderte Galionsfigur sah. Seine dunklen, traurigen Augen leuchteten auf, und das Leben schien in seine Miene zurückzuströmen, als wäre er eine Statue, die wieder lebendig wurde. Er stürmte vor. Kennit verbaute ihm mit einem raschen Schritt den Weg. Das ging nicht. Viviace gehörte ihm. Er durfte nicht zulassen, dass Wintrow seinen Anspruch auf sie wieder geltend machte.
Rasch nahm er einen Schlüsselring aus der Tasche. »Hier, Junge!«, rief er und warf ihn. Der Ring blitzte im Licht der Laterne auf, bevor Wintrow ihn fing. Als sich ihre Blicke trafen, dämpfte sich der freudige Ausdruck in Wintrows Augen. Er musterte Kennit abschätzend. Dieser erkannte den Blick. Wintrow fragte sich, wem er glauben sollte. Der Pirat schenkte dem keine weitere Beachtung. Glauben bedeutete, nicht zu wissen. Sein Glück hielt immer noch. Er dachte über den Jungen nach. Ob er sich von Wintrow trennen konnte, wenn er musste? Die Vorstellung missfiel ihm und versetzte ihm einen Stich. Falls Wintrow ihn zwang, musste es auf eine Art geschehen, die Kennits Glück nicht in Frage stellte und ihn auch nicht von seiner Mannschaft entfremdete. Vielleicht konnte der Junge ja in seinem selbstlosen Dienst an Kennit sterben. Das konnte man vielleicht arrangieren. Vielleicht
Weitere Kostenlose Bücher