ZECKENALARM IM KARPFENLAND
und ihr von ihrer und Rettas Entdeckung erzählte. Andererseits fühlte sie sich ganz mies, dass sie ihrem Chef gegenüber die Klappe halten sollte. Sie konnte Kunnis Vertrauen aber auch nicht brechen. Geralds Verwandte hatte, wie immer, recht. Die drei Todesfälle standen in unmittelbarem Zusammenhang. Die Assistentin des Kommissars glaubte auch nicht mehr an die Verbreitung der Hyalomma-Zecken in Mittelfranken. Es gab jemand, der die Insekten als Mordwaffe einsetzte, und dieser Mörder fühlte sich in die Enge getrieben. Wer konnte nur auf eine solch perfide Idee kommen, die gefährlichen Krim-Kongo-Fieber-Viren als Mordwaffe einzusetzen? Vor allem, aus welchem Motiv?
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Während sich Sandra Millberger Gedanken um die Motive des Mörders machte, tigerte dieser unruhig in seinem Wohnzimmer auf und ab. Er zermarterte sich erneut das Gehirn, ob er nicht doch irgendwelche verwertbaren Spuren am Tatort hinterlassen hatte. Szene für Szene ließ er die Tat ab dem Zeitpunkt, da er seinen dunkelblauen Ford in der Schellingstraße geparkt hatte, hinter seinem geistigen Auge wie in einem Film ablaufen. War da nicht eine Bewegung, hinter dem Vorhang des gegenüberliegenden Hauses gewesen? Für die Bedienung des Klingelknopfes, das wusste er ganz genau, hatte er ein doppellagiges Papiertaschentuch benutzt, aber was war mit dem Türstock? Hatte er den Türstock angelangt? Er glaubte nicht, konnte sich aber nicht mehr mit allerletzter Sicherheit daran erinnern. Er griff sich das Nordbayerische Tageblatt, welches auf dem Sofa lag, und las den Bericht zum fünften Mal:
Mord im Sexrausch – Liebhaber der Mörder?
Erlangen, 09.10.2012, Städtische Angestellte beim Liebesspiel erstochen. Gehörnter Ehemann auf Dienstreise.
Während ein in der Stadt angesehener Mediziner einen Ärztekongress besuchte, trieb seine Ehefrau hinter seinem Rücken ausgefallene Sexspiele. Diese wurden ihr nun zum tödlichen Verhängnis. Dr. P.R.-K. konnte es kaum fassen: Während er über das Wochenende zu einem Ärztekongress nach Baden-Baden fuhr, betrog ihn seine Frau mit ihrem Mörder. Die Einzelheiten der Tat werden noch untersucht. Die Reporter des Nordbayerischen Tageblatts fragen sich jedoch: War es eine Tat im Sexrausch? Vieles spricht dafür. Die Ermordete war in ihrem beruflichen Umfeld für ihre ausschweifenden, sexuellen Abenteuer bekannt. Ihre Arbeitskollegin, Frau B. R.: „Jeder attraktive Mann, der bei drei nicht auf dem Baum war, landete in ihrem Bett. Ihr argloser Mann, der im Krankenhaus viele Nachtschichten ableistet, kann einem richtiggehend leid tun.“
Wie aus Polizeikreisen bekannt wurde, soll der Täter einen schwarzen Ford Focus mit Fürther Kennzeichen oder einen dunkelblauen Opel Astra mit Kennzeichen aus dem Landkreis Erlangen-Höchstadt (ERH) fahren. Hinweise aus der Bevölkerung nimmt die Kriminalpolizei Erlangen gerne telefonisch entgegen.
Der Mörder schmiss die Seite mit dem Zeitungsbericht wutentbrannt in die Ecke. Nur bullshit. Nichts als Spekulationen, um die Auflage zu erhöhen. Keine einzige, sachliche Information. Über den Ford mit Fürther Kennzeichen musste er innerlich lachen. Die Polizei hatte gar nichts in Händen. Sie tappten völlig im Dunkeln.
Röttenbach, Mittwoch, 10. Oktober 2012
Kunigunde Holzmann, Margarethe Bauer und Dirk Loos saßen mal wieder in Kunnis Küche und berieten den Fall Adobdzion , wie sie ihn nannten.
„Also, wenner miech frachd, missn mier mid dera Sievers schbrechn“, schlug die Kunni vor. „Die had doch die Riu-Krummbauer gud kennd. Vielleichd had die a Ahnung, mid wem die Dode alles rumzoogn is.“
„Maansd, die had dera alles derzähld?“, bezweifelte die Retta.
„Kunni hat schon recht“, merkte Dirk Loos an, „zumindest ist es eine Chance.“
„Wolln mier edz den Erlanger Mord aa nu aufglärn?“, wandte die Retta wieder ein, „iech hob gmaand, mier konzendriern uns auf den Fall Adobdzion ?“
„Alde Gnalldiedn, wenn mier den Merder vo dera Erlanger Gifdnudl ieberführn, dann hammer den Fall Adobdzion aa aufglärd.“
„Wieso dees?“, wollte die Retta wissen.
„No deng doch mal nach“, empörte sich die Kunni über so wenig Kombinationsvermögen. „Der Merder had doch die Riu-Krummbauer bloß deswegn umbrachd, weil na die verradn könnd.“
„Verradn?“
„Dirk helf mer amol! Was hasdn mid dera gmachd?“
„Die Kunni meint“, ergriff der Sauerländer das Wort und sah dabei seine Vermieterin an, „dass der Mörder die Identität von Kind Nr.
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