Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman
kostete es ihn Anstrengung, sie offen zu halten. »Das ist keine Angelegenheit für die Polizei. Man erzählt sich, dort hätten die Sachsen vor langer Zeit ein Massaker veranstaltet, Plünderer hätten sämtliche Einwohner der Ortschaft in das Wäldchen getrieben und sie dort abgeschlachtet. Sie kennen das Wäldchen nicht, Sie machen sich keine Vorstellung davon, wie einem dort zumute ist. Ganz eigentümlich. Das ist alles, was ich sagen kann.«
»Wer hat Sie gefunden?«, fragte Rutledge.
»Ich weiß es nicht. Das habe ich Dr. Middleton auch gefragt, und er meinte, ich solle kein unnötiges Wort sagen.« Er rutschte wieder herum. »Man hat mir allerdings erzählt, ich hätte mehr als zwei Stunden blutend dort gelegen. Ich war so kalt, dass sie glaubten, ich sei bereits tot. Das war hinterher, auf der Fahrt nach Northampton. Daran kann ich mich teilweise erinnern.«
»Gibt es in Ihrem Revier jemanden, der Pfeil und Bogen benutzt?«
Er bewegte seine Hand, um anzudeuten, er wüsste von
nichts. »Schwester«, rief er, als die Krankenschwester sich um den hustenden Patienten gekümmert hatte und mit ihrer Wasserschüssel vorbeilief. »Ist es noch nicht an der Zeit?«
»Ich sage Ihnen, wenn es an der Zeit ist«, sagte sie. »Mr. Rutledge, ich glaube, Sie haben genug Fragen gestellt.«
Hensley wandte unruhig den Kopf um. »Diese verfluchte Frau«, sagte er mit gesenkter Stimme. »Ich bin derjenige, der im Bett liegt, nicht sie. Woher will sie wissen, wie ich mich fühle?«
»Wie oft fahren Sie nach Letherington? Könnte jemand damit gerechnet haben, Sie zu einer bestimmten Tageszeit auf dem Weg dorthin zu treffen?«
»Ich gehe dann nach Letherington, wenn ich mit Inspector Cain reden muss. Oder ihm Bericht erstatte. Die Abstände sind unregelmäßig.« Er zögerte. »Ich glaubte, Krähen über den Feldern zu hören, die einen unglaublichen Radau veranstaltet haben. Ich habe mein Fahrrad angehalten, bin stehen geblieben und habe mich umgesehen. Das ist das Letzte, woran ich mich erinnere.«
Hamish lenkte Rutledge mit der Bemerkung ab: »Du weißt ja, dass die Krähen erst beim Geräusch des Schusses von den Bäumen am Straßenrand aufgestoben sind. Die Geräusche des Wagens haben sie nicht aufgestört.«
Das ist wahr, stimmte Rutledge ihm stumm zu. Sie ließen sich erst von dem Schuss aus dem Revolver aufstören. Derjenige, der seine Windschutzscheibe zerschmettert hatte, hatte eine Weile still auf der Lauer gelegen. Er holte seine Gedanken aus Hertfordshire zurück und wandte sich wieder Constable Hensleys Angreifer zu. Was hatte die Krähen in dem Fall aufgescheucht? Jedenfalls bestimmt nicht ein Pfeil, der mit einem Bogen abgeschossen wurde.
Der Mann im Bett sagte gerade: »Ich würde vermuten, dass ich nie in Letherington angekommen bin. Aber danach werden Sie Inspector Cain fragen müssen. Ich erinnere mich noch daran, dass ich mich auf den Weg gemacht habe, und ich erinnere
mich an die Krähen.« Er schüttelte den Kopf, als sei er bestürzt. »Diese Unwissenheit quält mich.«
»Falls Ihnen weitere Einzelheiten einfallen, bitten Sie die Oberschwester, Chief Inspector Kelmore oder einen seiner Leute in Northampton anzurufen, damit er mich verständigt.« Rutledge nahm seinen Hut. »Gibt es in Dudlington eine Polizeiwache?«
Hensleys Stimme war schwächer geworden, und er schloss die Augen gegen den matten Schein der Lampe. »Wir haben keine Polizeireviere. Ich benutze mein Wohnzimmer als Büro. Dort werden Sie finden, was Sie brauchen. Richten Sie sich ruhig häuslich ein. Ich werde so schnell nicht zurückkommen, wenn es nach diesen verdammten Schlächtern geht.«
Rutledge blieb noch einen Moment neben dem Bett stehen und sah auf den Verwundeten hinunter. Er schien es nicht eilig zu haben, seinen Angreifer zu finden. Und das war schon für sich allein genommen seltsam. Kein Zorn, kein glühendes Verlangen, dazu beizutragen, die Ermittlung zu beschleunigen.
Aber dann schlug Hensley die Augen auf und sagte, als hätte er seinen eigenen Fehler erkannt: »Sorgen mache ich mir erst darüber, wenn es mir wieder besser geht. Im Moment kann ich es nicht. Das sehen Sie ja selbst. Sagen Sie Inspector Kelmore, ich sei noch nicht fit genug für Fragen.«
Die Oberschwester kam mit einem kleinen Tablett herein, auf dem sie Medizin und einen Becher Wasser brachte. Hensleys Gesicht hellte sich bei ihrem Anblick auf. »Gott sei Dank.«
Die Krankenschwester nickte Rutledge zu, als sie neben dem Bett stand. »Sie haben
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