Zeit der Raubtiere
Die Nacht, in der für mich alles klarzuwerden begann. Ich ahnte damals zwar schon, was einmal meine Aufgabe sein würde, aber als er sie umbrachte, konnte ich es nicht fassen. Es löste eine unbändige Freude in mir aus. Nie war ich dem Gefühl von Liebe näher gekommen.
Ich hatte die beiden schon den ganzen Sommer über beobachtet und war tagsüber, wenn Daisy Tennis spielte, zu ihrem geheimen Treffpunkt gegangen, einfach nur, um da zu sein, um in der Nähe zu sein und nachzudenken. Ich hatte ein paar Sachen gesammelt, ein Armband, das sie bei einer ihrer Zusammenkünfte verloren hatte, und ein Päckchen Zigaretten, das ihm aus der Tasche gefallen war. Die beiden hatten mich völlig in ihren Bann geschlagen. Sie waren wie Tiere, aber Tiere ohne Haut, die ihre Gestalt veränderten und grunzten und stöhnten. Manchmal klang es fast, als würden sie singen. Am meisten faszinierte mich die Brutalität, mit der er sie behandelte. Ähnliches hatte ich nicht lange zuvor bei Bill Fox und meiner Mutter gesehen, aber meine Mutter hatte so passiv gewirkt, als wären seine Worte einfach an ihr abgeprallt. Du bist ja doch eine Schlampe. Bei Elena war es anders. Ich hatte den Eindruck, dass sie genau das wollte, als würde es sie befreien. Ich war begeistert. Weniger begeistert war ich natürlich, als Onkel Hughes mich erwischte, aber er fuhr dann zurück in die Stadt, um allein zu sein, was ihm sowieso das Liebste war, und damit hatte sich der Fall.
In jener Nacht folgte ich ihnen wieder einmal zu den Tennisplätzen. Sie stritten unterwegs. Den gleichen Streit hatte ich schon einmal mit angehört. Sie wollte, dass er seine Frau verließ, er sagte, er brauche mehr Zeit. Selbst ich wusste, dass das gelogen war. Sie musste es auch gewusst haben. Sie wurde sehr wütend und schlug ihn. Er zerrte sie grob über den Pfad bis zum Unterstand.
Dann begann sie ihn anzuflehen. Ein Fehler. Diesmal schlug er sie, sie brach in Tränen aus, und er begann ihr die Kleider vom Körper zu reißen. Da dachte ich noch, es würde so enden wie immer. Aber sie wehrte sich. Ich stand ganz nah dabei, doch es war dunkel, und komischerweise sah es fast genauso aus, wie wenn sie es miteinander trieben. Er lag stöhnend am Boden. Sie hatte ihn in die Eier getreten. Er kroch fluchend ein Stück weg, und dann muss er den Stein aufgehoben haben, denn er holte aus, zog sie mit der freien Hand an den Haaren, riss sie zu Boden und schlug ihr mit der anderen auf den Kopf.
Es kam nur ein einziger Aufschrei.
Er brüllte unablässig »Du verdammte Hure, verdammte Portugiesen-Hure!« und schlug immer wieder zu.
Dann hörte er ganz plötzlich auf. Er betrachtete den Stein in seiner Hand, als wüsste er nicht, woher der kam. Er sah sie an. Ich hörte ihn keuchen. Er schüttelte sie, nur so ein kurzes Rütteln, wie man es macht, wenn jemand einen Alptraum hat. Sie stieß einen leisen Laut aus, halb Glucksen, halb Stöhnen. Da setzte er sich kurzerhand rittlings auf sie, legte ihr die Hände um den Hals und drückte zu.
Kurz vor dem Ende schnellte ihr Oberkörper eine Sekunde lang hoch, und ich hätte schwören können, dass sie ihm etwas sagen wollte. Dann war sie tot.
Ich wäre so gern geblieben, um zu sehen, was er als Nächstes tat, aber in meinem Kopf drehte sich alles, und ich bekam Angst, ich könnte laut aufschreien oder mich sonst irgendwie verraten. Deshalb ging ich so leise wie möglich in Richtung des alten Eisteichs davon. Ich kam nicht weit, dann verlor ich das Bewusstsein.
Ich erinnere mich an die hohen Binsen rings um mich, als ich aufwachte. Der Boden war feucht, und ich sah den Mond. Als Allererstes dachte ich: Daisy.
Nach dem Abendessen gab es wieder Cocktails, und meine Mutter ließ sich ziemlich volllaufen. Dann tanzten wir alle zu einer Platte von Daisy, meine Mutter ganz eng mit Nick und mit dem traurigsten Blick in den Augen.
Nach und nach gingen alle ins Bett, auch ich. Aber nachdem ich eine Weile dagelegen hatte, stand ich wieder auf. Ich konnte an nichts anderes denken als daran, dass Frank Wilcox wieder auf der Insel war. Er hatte eine neue Frau. Ich fragte mich, wie sie aussah. Ich zog mich an, setzte mich ans Fenster und dachte darüber nach, was Tante Nick kurz zuvor gesagt hatte. Dass sie den Herbst in der Luft fühlte und dass er nach Tod und Veränderung roch.
Ich beschloss, Frank zu suchen. Ich konnte sowieso nicht schlafen. Leise ging ich die Treppe hinunter, und mir fiel wieder ein, wie Onkel Hughes früher immer durchs
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