Zeit der Sternschnuppen
jämmerlich jaulte und an mir hochsprang, war niemand anders als Waldi, der vollgefressene »Präriehund«. Mit dem Instinkt eines Jagdhundes war er mir nachgeschnüffelt.
Ich wischte mir den Angstschweiß von der Stirn, fühlte am Hinterkopf eine schmerzhafte Schwellung. »Verdammtes Biest, elender Himmelhund, vollgefressener Dackel!« rief ich erbost. »Verschwinde zu deinem besoffenen Herrchen!«
Waldi dachte nicht daran, meiner Aufforderung Folge zu leisten. Er sprang weiter an mir hoch, jaulte und kläffte herzzerreißend. Umsonst drohte und bettelte ich, er war nicht zu bewegen, die Schleuse zu verlassen. Eine peinliche Situation. Vergeblich bemühte ich mich, meinem Begleiter klarzumachen, daß der Dackel nicht zu mir gehörte.
Mein Gastgeber hatte sich inzwischen von seiner Überraschung erholt und begriffen, daß hier kein Angriff auf ihn und seine Gefährten erfolgt war. Zu meiner Verblüffung schien er Waldi nun sogar für eine Abart menschlichen Wesens zu halten, denn er verbeugte sich vor Waldi, wippte mit dem Glashelm. Damit war die Angelegenheit für ihn erledigt. Er machte sich an der Wandung zu schaffen.
Was fange ich mit dem Hund an? überlegte ich. Runterwerfen konnte ich Waldi nicht, dazu war es zu hoch, er hätte sich das Genick brechen können. Freiwillig verließ mich der Präriehund jedoch auch nicht, im Gegenteil, er winselte so lange, bis ich ihn aufhob und wie ein Baby im Arm hielt.
Für meine Gastgeber schien dies ein Zeichen zu sein. Der Einstieg schloß sich, Waldi mußte unfreiwillig den Flug mitmachen. Bei dem Gedanken an den schnarchenden Theo empfand ich sogar eine gewisse Schadenfreude. Lange genug hatte ich auf ihn eingeredet, nur ein paar Schritte in die Küche hätte er zu gehen brauchen, um sich von der Wahrheit meiner Ausführungen zu überzeugen. Mochte er morgen seinen Waldi suchen. Ich hörte die Antriebsaggregate und den singenden Ton, wurde gegen die Wandung gedrückt; nicht heftig, aber doch mit unwiderstehlicher Gewalt. Alles schien zu vibrieren. Waldi wimmerte angstvoll. Er hatte es gut, konnte von sich geben, was er fühlte, verbarg seine lange Schnauze in meiner Achselhöhle. Ich glaubte, meine Furcht verbergen zu müssen, tat, als wäre eine Reise ins All etwas Alltägliches für mich.
Der Andruck währte vielleicht eine halbe Minute, dann war alles wie vordem, nur mit dem Unterschied, daß der Kleine nicht mehr bei mir war. Ich hatte sein Verschwinden nicht bemerkt. Es war merkwürdig, ich hatte das Empfinden, als stünden wir unbeweglich auf einer Stelle. Seitlich von mir öffnete sich auf einmal die Wandung. Sie ging lautlos auseinander. Der Vorgang imponierte mir; technische Raffinessen hatten mich schon immer begeistert. Da der hinter der Öffnung liegende Raum um ein mehrfaches größer war als die Schleuse, trat ich mit Waldi ein. Zu meiner Enttäuschung besaß er keine Bordfenster, ich hätte unsern Abflug gern optisch miterlebt. Die Wände schienen aus Milchglas zu bestehen. Auf dem Boden entdeckte ich eine feine, mehlige Staubschicht; sie klebte an meinen nassen Schuhen. Hinter uns hatte sich die Wandung geräuschlos geschlossen.
Um meine Aufregung zu kompensieren, sagte ich zu Waldi: »Jetzt fliegen wir, Hundchen. Wer weiß, über welchen Kontinent wir uns gerade bewegen – vielleicht Afrika. Höre auf zu winseln, Dackel, ich bin ja bei dir…«
Im stillen war ich zufrieden, daß Waldi mir nachgelaufen war. Nun hatte ich doch wenigstens einen irdischen Begleiter bei mir. Wo blieben nur mein Raumanzug und das Sauerstoffgerät, und was sollte aus dem Hund werden – er mußte ebenfalls atmen. Auch hätte jetzt jemand zur Begrüßung kommen müssen – oder gab es bei ihnen diese Sitte nicht?
Ein feiner, süßlicher Duft stieg mir in die Nase. Ich mußte niesen, setzte Waldi ab. Dieses weiße Pulver konnte ein Desinfektionsmittel sein. An mir hafteten Milliarden Mikroben, und der Hund war sicher Träger noch ganz anderer Tierchen. Ich begriff, daß sie sich dagegen schützten.
Waldi tappte vorsichtig durch den mehligen Staub. Er schnupperte und winselte dann entsetzlich. »Ruhe!« herrschte ich ihn an.
Er streckte den Kopf hoch, wollte wieder auf meinen Arm. Plötzlich erschrak ich. Der Dackel hatte den Kopf sinken lassen. Er legte sich hin, wurde ganz ruhig. Ehe ich den Vorgang richtig begreifen konnte, hatte Waldi bereits alle viere von sich gestreckt. Er lag zu meinen Füßen wie eine Leiche.
Gift… war mein erster Gedanke, das Pulver hat ihn
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