Zeit des Zorn
nicht noch mehr waren, der ganze Bandenscheiß hat ihn
reingeritten. Er und die 94er verteidigen ihr Gebiet gegen die anderen
Mexikanergangs.
Das volle
Klischeeprogramm, hat man alles schon im Film gesehen, im Auto vorbeifahren und
dann Auge um Auge, die ganze Kacke. Mit zwölf war Jesus schon vorbestraft. Hat
einen anderen Jungen zu Brei geschlagen, der Richter sah ihm in die reuelosen
Augen (Reue? Wozu?) und schickte ihn in den
Jugendknast nach Vista, wo ihn die größeren Jungs zwangen,
ihnen die Schwänze zu lutschen, bis seine Wut größer war als seine Angst, er
einen von ihnen an den Haaren packte und mit dem Kopf gegen eine Betonmauer knallen
ließ, bis es aussah wie schlechtes Grafitti.
Er kommt raus, steigt bei
den 94ern ein (auch wieder voll das Klischee, kennt man aus Filmen), dreizehn
Jahre alt, verkauft Dope an der Straßenecke, fickt vierzehnjährige cuchas in Crackhäusern auf
dreckigen Matratzen, wird mit Crack erwischt, verrät keinen und
landet, zack, wieder im Jugendknast, wo er jetzt aber selbst zu den großen
Jungs gehört (er hat stämmige Unterarme, große Hände und bringt einiges auf die
Waage) und sich von den Kleineren den Schwanz lutschen lässt. Er sieht sie mit
seinen toten Augen an und sie machen, was er von ihnen verlangt.
Als er wieder rauskommt,
tobt ein Bandenkrieg, sie schießen sich gegenseitig über den Haufen, es geht
um Hoheitsgebiete, Rache und rein gar nichts, aber bei einem Drivebyshooting
kriegt er eine Kugel ab. Er hing einfach bloß draußen auf dem Rasen ab,
rauchte Gras, trank Bier und bereitete sich mental darauf vor, seinen piton in diesem zuckersüßen Miststück
zu versenken, als er zack einen Schmerz im Oberschenkel spürt und das
Miststück loskreischt, aber nicht so, wie er sich das vorgestellt hat, und dann
läuft ihm Blut übers Bein. Er trinkt erst sein Bier aus und fährt dann ins
Krankenhaus.
Zwei Wochen später zieht
er los, geht immer noch am Stock, will sich aber schon mal ein kleines bisschen
rächen, lässt sich von seinen Jungs an einem Haus in Los Treintes vorbeifahren,
hält seine Kalaschnikow aus dem Fenster und ballert drauflos. Einen Treinte
erwischt er, allerdings mit dem Rückstoß auch eine vierjährige niña, was Jesus aber scheißegal
ist.
Die Bullen kriegen ihn
dafür nicht dran, aber sie haben ihn ihm Visier, weil er jetzt ein jefe ist, und sie können's
kaum abwarten, ihn einzulochen. Prompt verkackt er's, und sie kommen zum Zug.
Irgendein lambioso guckt sein Mädchen zu
lange an, und Jesus dreht durch, poliert dem Kerl die Fresse und wandert für
sechs Jahre in den Knast.
Abgesehen vom Essen und
dem Frauendefizit gefiel es Jesus im Gefängnis.
Gewichte stemmen, mit
denselben Jungs abhängen, mit denen er sonst an der Ecke stehen würde, sich mit
der arischen Bruderschaft und den Zulus bekriegen, Gras rauchen, H spritzen
(nicht in die Vene, nur unter die Haut), Neuankömmlinge ficken, Tattoos
stechen lassen. Im Bau brachte er zwei Männer um, und niemand konnte ihm auch
nur im Entferntesten was. Niemand hätte es gewagt, Jesus zu verpfeifen. Er
führte die 94er oder das, was von ihnen übrig war, von seiner Zelle aus.
Ordnete drei weitere Straßenmorde an, die einwandfrei ausgeführt wurden.
Als er wieder rauskam,
wieder zu den 94ern stieß, stellte er fest, dass es nicht mehr viele davon gab.
Einige waren tot, ein paar mehr noch im Bau, ein paar andere waren craqueaos oder Junkies geworden.
Mit dem Bandending war's aus und vorbei, finito.
Und so jung ist er jetzt
auch gar nicht mehr.
Die Jahre vergehen wie im
Flug.
Man hat's nicht leicht.
Man rackert und plagt
sich ab, und das hinterlässt Spuren.
Egal, er hat seine Zeit
jedenfalls abgesessen, ist draußen und wieder da, und die wollen ihm erzählen,
die Zeit der Banden ist vorbei, wir haben uns alle gegenseitig kaltgemacht,
wobei da ja was Wahres dran ist, aber falsch ist es trotzdem.
Die Banden kommen wieder
- wie man so sagt -, guter Geschmack hat immer Konjunktur - nur anders.
Ernsthafter.
Geschäftlicher.
Jetzt wird Kohle
gescheffelt.
Die Knasttherapeuten
haben immer was erzählt von wegen »gute Entscheidungen treffen«. Triff gute
Entscheidungen, wenn du rauskommst, dann kommst du nicht wieder rein.
Gute Entscheidungen.
Man kann sich also
entscheiden, Leute aus Stolz umzubringen, wegen irgendeiner dämlichen
Bandenfehde oder Hohheitsansprüchen, Drogen oder auch für Geld.
Jesus hat sich
entschieden, für Geld zu töten.
Wie sagt man so schön:
»Mach, was
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