Zeit, gehört zu werden (German Edition)
gelesen hatte, war er mir so absurd vorgekommen wie die Schlagzeile eines Boulevardblattes: »Dreiköpfiges Marsmenschenbaby in Supermarkt geboren«.
Während ich in dem kalten Büro saß und auf die Zeitung starrte, konnte ich mir nur zwei Möglichkeiten vorstellen, wie es zu dieser Messer-Nachricht gekommen war. Die erste lautete, dass das Web die Geschichte fabriziert hatte. Denn auch wenn die Medien unehrlich und unprofessionell gewesen waren, glaubte ich nicht, dass sie so weit gehen würden. Die zweite bedeutete, dass die Ermittler einen Fehler gemacht hatten.
Ich ging alles durch, was ich wusste, Schritt für Schritt.
Ein Messer aus Raffaeles Küche mit DNA sowohl von Meredith als von auch mir konnte es nicht geben. Ich hatte Raffaeles Kochmesser in der Woche benutzt, die wir uns kannten, aber wir hatten keines davon je aus der Küche mitgenommen.
Meredith war nie in Raffaeles Wohnung gewesen.
Doch diese Argumente konnte ich nur mir und Argirò gegenüber vorbringen.
Und natürlich war mir klar, dass Argirò mir nicht glauben würde. Ich wusste, dass das Messer nicht dasjenige gewesen sein konnte, das Merediths Mörder benutzt hatte, aber ich fühlte mich, als würde mir gerade das Herz zerquetscht.
Den Abend blieb ich still und zurückgezogen in meiner Zelle und verbrachte die Zeit bis zur Nachtruhe damit, mich meinem Gefängnistagebuch anzuvertrauen. Was sich als weiterer Fehler herausstellen sollte. Ich sagte Gufa, ich sei zu müde zum Reden. Schlafen konnte ich allerdings auch nicht.
Am nächsten Morgen kamen Luciano und Carlo. »Hat die Polizei tatsächlich behauptet, sie habe in Raffaeles Wohnung ein Messer mit meiner DNA auf dem Griff und Merediths DNA auf der Klinge gefunden?«, fragte ich in dem verzweifelten Wunsch, sie würden »Nein« sagen.
»Die Polizei hält das Messer für die Mordwaffe«, antwortete Carlo. »Ihre forensischen Experten gehen davon aus, dass man Meredith damit jede Wunde hätte beibringen können. Von der Annahme, es wäre Raffaeles Taschenmesser gewesen, haben sie sich verabschiedet. Amanda, es heißt, Sie seien diejenige gewesen, die auf Meredith eingestochen habe. Gibt es etwas, das Sie uns sagen möchten?«
Beide Männer sahen mich gespannt an, warteten auf meine Reaktion. Ich konnte es nicht fassen, dass sie mich das gefragt hatten.
»Aber nein! Das ist doch unmöglich!«, schrie ich, während ich am ganzen Leib zu zittern begann. »Die Polizei hat einen Fehler gemacht. Ich war die ganze Nacht lang in Raffaeles Wohnung, ich habe auch nie ein Messer aus seiner Wohnung mitgenommen, und Meredith hat mich nie dort besucht. Außerdem hatte ich überhaupt keinen Grund, auf Meredith wütend zu sein. Und selbst wenn wir im Streit miteinander gewesen wären, hätte ich mit ihr geredet und sie nicht umgebracht!«
»Wir glauben Ihnen doch, Amanda«, sagte Carlo sogleich. »Keine Sorge.«
Die Ermittler hatten das Messer – ein Kochmesser mit sechzehneinhalb Zentimeter langer Klinge und schwarzem Plastikgriff – offenbar beschlagnahmt, als sie nach unserer Festnahme Raffaeles Wohnung durchsuchten. Es war übrigens das einzige Messer aus den verschiedenen Wohnungen, in denen sie sich umsahen, das sie in Betracht zogen, nämlich das zuoberst liegende Messer aus einem Haufen von Messern in einer Schublade, in der auch der Dosenöffner und die Salatzange lagen. Wahrscheinlich hatte ich es am Abend von Merediths Ermordung benutzt, um die Tomaten für unser Abendessen zu schneiden.
Der Beamte, der das Messer beschlagnahmt hatte, gab an, er sei durch »investigative Intuition« darauf aufmerksam geworden. Es sei ihm verdächtig sauber vorgekommen – als wenn wir es abgeschrubbt hätten. Zu dem Zeitpunkt kannte er allerdings noch nicht einmal die Maße von Merediths Stichwunden.
Die Geschichte mit dem Messer bedeutete allerdings auch eine Wende für meine Anwälte, die nun befürchteten, die Staatsanwaltschaft würde Beweise verfälschen oder fehlerhaft einsetzen und somit einen unfundierten Fall gegen mich konstruieren. Carlo und Luciano, die zuvor plädiert hatten, allein der Mangel an Beweisen werde mich freisprechen, erklärten mir jetzt, die Staatsanwaltschaft habe offensichtlich vor, mich zu kassieren, und versuchten mich auf den Kampf vorzubereiten. »Man kann nicht mehr auf sie zählen«, sagte Carlo. »Wir stehen vor einer Hexenjagd. Aber es wird alles gut werden.«
Sie waren zuversichtlich, dass wir gewinnen würden, sobald unsere forensischen Experten zeigen
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