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Zeit und Welt genug

Titel: Zeit und Welt genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kahn
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ihnen: Keine Kinder. Sie wurden wild, sage ich euch. Sie fingen an, sich links und rechts klonen zu lassen. Der Staat wollte das natürlich einschränken, zwei pro Familie und so, aber die Reichen ließen immer mehr machen, sahen das wohl als eine Möglichkeit, billige Arbeitskräfte zu schaffen; die Armen forderten Klon-Subventionen, dann gab es illegale Betätigung, halblegale Klon-Agenturen und – na, ihr wisst schon.«
    Sie wussten es nicht so recht, aber das Wesentliche ging ihnen auf. Menschen, die unablässig Kopien von sich selbst herstellten.
    »Erstaunlich«, sagte Beauty leise. Irgendwo in der Ferne heulte ein Tier, leise und qualvoll, wie das Echo eines Schreis. Die drei blickten kurz zum getarnten Eingang und sahen einander an. Josh fand es beinahe komisch, dass er sich – zumindest vorübergehend – weniger für die Vorgänge außerhalb der Höhle als für die in Jasmines Gehirn interessierte, und lachte kurz auf. Beauty antwortete mit einem verständnisvollen Lächeln.
    »Jedenfalls war das Fortpflanzungssystem bei den Menschen nicht das einzige, das damals zu versagen begann«, fuhr Jasmine fort. »Die viele Strahlung forderte ihren Tribut, nachdem dreißig Jahre vergangen waren. Die Menschen bekamen Darmkrebs, Lungenkrebs, Leukämie, aplastische Anämie. Die Menschen starben. Auch andere Tiere übrigens. Die Strahlung wirkte auf jeden. Irgend etwas musste geschehen.
    Da kam das Thema Neuromensch auf.
    Seht ihr, jedes organische System wurde durch die langfristige Reststrahlung der krebsartigen Verwandlung unterworfen, ausgenommen das Zentralnervensystem. Das brave, alte Hirn und Co.« Sie stippte den Zeigefinger an die Stirn. »Also dachte jemand, he, warum ersetzen wir nicht einfach alles andere durch künstliche Teile, warum versetzen wir das Gehirn und die Nerven nicht einfach in einen völlig künstlichen, unzerbrechlichen, niemals alternden Körper.
    Davon hörte ich, als ich dreißig war, und brachte die nächsten zehn Jahre meines Lebens zusammen mit vielen anderen Leuten aus allen möglichen Gebieten damit zu, an dem Problem zu arbeiten. Mit Kunstharzen war das einfach – Teflon-Herzen mit atomarem Antrieb waren schon oft erfolgreich in niedere Tiere eingepflanzt worden. Die Lunge war kein großes Problem. Man brauchte nur Membran-Sauerstoff-Generatoren zu miniaturisieren. Arme, Beine, Aluminium-Knochen, Netzschaltungen – das war von Konzeption und Technik her alles machbar.
    Blut. Da stand man vor einem Problem. Wie sollte man eine künstliche, lange haltbare, Sauerstoff befördernde Flüssigkeit entwickeln, die … aber solche Einzelheiten interessieren euch nicht. Es genügt, wenn ich sage, dass alle Probleme gelöst wurden. Man war der Ansicht, dass die Zeit drängte, und kürzte die Tierversuche ab. Klinische Versuche mit Menschen begannen. Mit Sterbenden, versteht sich. Mit Freiwilligen, natürlich. Leute, die nichts zu verlieren hatten. Als Schlüssel erwies sich wieder einmal die Gemeinschaft der Gen-Gelehrten. Sie entwickelten eine andere Zelle – eigentlich einen Pilz, einen Verwandten der Mukormykose –, die virulent lebendes menschliches Gewebe verzehrte, alles menschliche Gewebe bis auf Nervengewebe und die es unterstützenden Zellen. Mit einer starken Spritze davon konnte man einen ganzen Körper in nicht einmal einem Tag zerfallen lassen.«
    »Aber wer meldet sich freiwillig zu einer solchen Tortur? Ist es nicht weiser, jung zu sterben, mit Würde, als sich einer solchen Verstümmelung zu unterziehen?« fragte Beauty offen. »Von Pilzen aufgefressen zu werden?«
    Jasmine lächelte.
    »Ich meldete mich freiwillig. Doch du hast wohl recht. Trotzdem weiß ich nicht, ob ich jemals so viel Würde besessen habe, dass sie die dreihundert Jahre hätte ausgleichen können, die mir bisher gegeben waren. Jedenfalls hatte ich ein Rundzellensarkom und noch ein Jahr zu leben. Da meldete ich mich freiwillig. Ich tat immerhin einen Schritt vorwärts, und alle meine Mitarbeiter taten einen Schritt zurück. Es hatte bis dahin keine vollständigen Erfolge gegeben, und die Versuchspersonen gingen in Wirklichkeit ein großes Risiko ein. Ich tat es aber.
    Man versenkte mich in Schlaf, kühlte meinen Metabolismus ab und fror mich ein, bis ich durch das kalte Schlüsselloch des Todes guckte. Dann versenkte man mich in einen hyperbarischen Tank, gefüllt mit der neu erfundenen Blutlösung, spritzte mir Mucor ein und bemalte mich außerhalb damit. Mein Körper war innen und außen ein

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