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Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Zeit zu hassen, Zeit zu lieben

Titel: Zeit zu hassen, Zeit zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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nicht mal freiwillig.«
    »Hättest den Franzmännern feste eins auf den Schädel geben sollen, dann ginge es uns jetzt besser«, brummte einer.
    »An der Front hat’s nicht gelegen, Gustav. Im Felde unbesiegt, nicht wahr?«, sagte der Stallbaron.
    Paul staunte über die massigen Gestalten, die sich allmählich aus den Schatten abhoben. Das waren Männer, muskulös, stiernackig manche. Die passen zu ihren Pferden, dachte Paul.
    »Lass man, Laurens«, sagte einer. Er zog an seiner Zigarre und die Glut glimmte auf. »Lass man, der Kapp wird es schon machen. Der General von Lüttwitz und der Kapp, die reißen das Ruder herum.«
    »Was ist denn eigentlich los?«, fragte Paul.
    »In Berlin haben sie der Regierung endlich gezeigt, wer das Sagen hat«, berichtete einer. »Der Noske soll befohlen haben, dass die Reichswehr auf die Leute von General Lüttwitz schießt. Aber er hat die richtige Antwort bekommen. Der von Seeckt hat ihm geantwortet: ›Reichswehr schießt nicht auf Reichswehr.‹«
    Der Kutscher Robert fiel ein: »’ne gute Antwort. ’ne notwendige Antwort. Das hätte auch gerade noch gefehlt, dass sie uns die ›Eiserne Faust‹ abgeschlagen hätten.«
    »Was für eine Faust?«, fragte Paul wieder.
    »Ja, junger Mann, sind Sie denn völlig hinterm Mond? Das ist die Marinebrigade Ehrhardt, unsere besten Freischärler. Die Brigade sollte sich doch auflösen. Der Noske hat’s befohlen. Aber der Ehrhardt, der hat der Regierung was gepustet. Der ist heute mit seinen fünftausend Mann und mit klingendem Spiel von Döberitz nach Berlin einmarschiert. Und der Noske hat geschrien: ›Ja, haben mich denn alle verlassen?‹«
    »Und Ebert und die Regierung?«
    »Haben die Hosen voll und sind heute Morgen aus Berlin weggelaufen. Es heißt, die wollen nach Dresden.«
    Der Stallbaron rief: »Kapp und General von Lüttwitz, das sind jetzt die neuen Leute. Weg mit der Quasselbude im Reichstag. Jetzt kehrt wieder Ordnung ein in Deutschland!« Er zog den Blasebalg. Blaue Flämmchen züngelten aus der Glut.
    Paul sah jetzt deutlicher die geröteten Gesichter. Die Kutscher hatten ihre braunen Lederschürzen nicht abgelegt. Die speckigen Schirmmützen trugen sie weit in den Nacken geschoben. Mit den Händen umspannten sie fast alle ihren mächtigen Bierkrug.
    »Kapp und Kapitän Ehrhardt, das sind doch Leute, bei denen man weiß, wo’s langgeht«, sagt der mit der Baßstimme. »Ich sage mir immer, Franz Hagenheier, sage ich mir, die Roten wollen uns an Moskau verscherbeln und die Erfüllungspolitiker, der Erzberger vom Zentrum und der Sozi, der Ebert, die servieren uns den Franzosen auf einem silbernen Tablett. Der Lüttwitz, der Ludendorff und der Ehrhardt, die haben sich im Feuer bewährt. Die holen den Karren aus dem Dreck. Was meinst du, Padre? Das muss doch jedes Kind einsehen.«
    »Der Karl Schneider sagt«, antwortete Bruno, »der Karl sagt, wir hätten eine Demokratie und Ebert sei von der Mehrheit gewählt.«
    »Ein Sozi, dein Karl«, schrien ein paar Männer und lachten.
    »Und der Vater von Manfred sagt, wir müssen die Verträge erfüllen und uns endlich mit Frankreich aussöhnen.«
    Die Männer fanden Gefallen an dem Spiel und schrien: »Ein Schwarzer, der Wirt vom dicken Pferd!«
    »Und was sagst du selbst?«, fragte Paul.
    »Macht endlich Frieden miteinander«, sagte Bruno leise. »Macht endlich Frieden.«
    Die Männer verstummten.
    »Leicht gesagt«, murmelte der Kutscher Gustav verlegen.
    Der Stallbaron stand auf, reckte sich und gähnte. Dann rief er: »Schluss für heute. Morgen wissen wir mehr.« Er zog seine Taschenuhr heraus, hielt sie in das Licht der Esse und fragte: »Kommt denn der Bilarski heute überhaupt nicht? Es ist schon acht Uhr.«
    »Der hat vor zehn Minuten im Stall die Laterne angezündet«, antwortete Laurens, der nahe am Fenster gesessen und den Nachtwächter gesehen hatte.
    Als Paul und Bruno auf der Straße standen, da sagte Paul: »Geh du nur nach Hause. Ich muss zu Karl. Wer weiß, ob der schon von dem Putsch gehört hat.«
    Bruno sah noch Licht in Franziskas Laden, aber er ging nicht hinein. Er traf auf Mathes März, der in der Haustür stand und eine Zigarette rauchte.
    »Weißt du es auch schon? In Berlin haben sie geputscht.«
    »Ja, der Kapp-Putsch«, antwortete Mathes. »Aber glaube ja nicht, das lässt sich die Arbeiterklasse gefallen. Diese Verbrecher haben unsere Rosa Luxemburg ermordet und auch den Karl Liebknecht. Morgen ist eine Kundgebung auf dem Altmarkt. Wir werden es

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