Zeitlose Zeit
getändelt habe. Ertappt mitten am Nachmittag, zwischen Waschen und Rasenmähen und Einkaufen. Meine Schuld ... Tagtraum vom Untergang als gerechte Buße für meine Vergehen. So harmlos sie auch gewesen sein mögen.
Das würden jedenfalls die Psychiater sagen, dachte er. Das würden alle Ehefrauen erklären, die einschlägige Bücher gelesen hatten. Oder vielleicht ist es meine Feinseligkeit Black gegenüber. Angst soll eine Umwandlung unterdrückter Feinseligkeit sein. Meine häuslichen Probleme, auf den Bildschirm einer ganzen Welt projiziert. Und Walters Modell. Ich muß in der Zukunft leben wollen. Denn das Modell ist das Modell eines Objekts in der Zukunft. Und als ich es sah, kam es mir völlig natürlich vor.
Er ging zur Vorderseite des Supermarktes, vorbei an den Selenzellen, so daß die Tür sich öffnete. Vorbei an den Kassen. In der Gemüseabteilung stand Vic Nielson bei den Zwiebeln und sortierte die schlechten aus.
»Hallo«, sagte Ragle und ging auf ihn zu.
»Oh, hallo«, sagte Vic und sortierte weiter. »Fertig für heute mit deinem Rätsel?«
»Ja. Die Lösung ist auf der Post.«
»Wie fühlst du dich heute?«
»Besser«, sagte Ragle. Es gab gerade wenig Kunden im Geschäft, und so fragte Ragle: »Kannst du weg?«
»Auf ein paar Minuten.«
»Gehen wir dahin, wo wir uns unterhalten können.«
Vic zog die Schürze aus und legte sie in eine Wanne. Sie gingen hinaus, und Vic sagte zu den Kassiererinnen, er käme in zehn oder fünfzehn Minuten zurück. Sie überquerten den Parkplatz.
»Wie wär’s mit dem ›American Diner Café‹?« fragte Vic.
»Gut.« Er folgte Vic auf die Straße hinaus in den starken nachmittäglichen Verkehr. »Wirst du nie angefahren?« fragte er, als ein Chrysler so nah vorbeifuhr, daß er die Auspuffluft an den Waden spürte.
»Bis jetzt noch nicht«, sagte Vic, die Hände in den Taschen.
Als sie das Café betraten, sah Ragle in der Nähe einen olivgrünen Lastwagen der Stadtwerke stehen.
»Was ist los?« sagte Vic, als er stehenblieb.
»Schau«, sagte Ragle und streckte den Finger aus.
»Na und?«
»Ich hasse diese Dinger«, sagte Ragle. »Diese Stadtfahrzeuge.« Wahrscheinlich hatten ihn die Arbeiter zu Mrs. Keitelbein gehen sehen. »Laß den Kaffee«, sagte er. »Unterhalten wir uns im Laden.«
»Wie du willst«, sagte Vic. »Ich muß ohnehin wieder hinein.« Als sie wieder über die Straße gingen, fragte er: »Was hast du gegen die Stadt? Hängt das mit Bill Black zusammen?«
»Möglich.«
»Margo sagt, Junie sei gestern aufgetaucht. Elegant angezogen. Sie hätte von einem Anwalt gesprochen.«
Ragle betrat den Supermarkt, ohne zu antworten, Vic folgte ihm.
»Wo können wir hingehen?« sagte Ragle.
»Hier herein.« Vic sperrte die Scheckannahme-Kabine am anderen Ende, neben den Spirituosen, auf. Ragle fand zwei Hocker, nichts sonst. Vic schloß die Tür hinter ihnen und setzte sich.
»Das Fenster ist zu«, sagte er und wies auf den Schalter für die Scheckannahme. »Niemand kann uns hören. Was wolltest du sagen?«
»Es hat nichts mit June zu tun«, sagte Ragle. »Ich habe dir keine Geständnisse zu machen.«
»Das ist gut. Ich bin ohnehin nicht in der Stimmung dafür. Du bist anders, seitdem der Taxifahrer dich ins Haus getragen hat. Man kann es schwer ausdrücken, aber Margo und ich haben gestern abend im Bett darüber gesprochen.«
»Und?«
»Du wirkst bedrückter«, sagte Vic.
»Mag sein.«
»Oder ruhiger.«
»Nein, ruhiger bin ich nicht.«
»Du bist doch nicht verprügelt worden? Dort in der Bar?«
»Nein.«
»Das war mein erster Gedanke, als Daniels – der Chauffeur – dich auf die Couch legte. Aber man sah nichts an dir. Und du würdest es wissen, wenn das der Fall gewesen wäre. Du wüßtest es und würdest es spüren und sehen. Ich bin einmal zusammengeschlagen worden, vor Jahren. Es dauerte Monate, bis ich das überwunden hatte. So etwas hält sich.«
»Ich weiß, daß ich beinahe entkommen wäre.«
»Von wo entkommen?«
»Von hier!«
Vic hob den Kopf.
»Ich bin fast über den Rand gelangt und habe die Dinge so gesehen, wie sie sind. Nicht so, wie sie aussehen sollen aus unserer Sicht. Aber dann wurde ich erwischt und bin wieder da. Und man hat dafür gesorgt, daß ich mich nicht klar genug erinnere, um etwas davon zu haben. Aber ...«
»Aber was?« sagte Vic. Er starrte hinaus ins Innere des Supermarktes.
»Ich weiß, daß ich keine neun Stunden in Frank’s Grill und Bar gewesen bin. Ich glaube, ich war dort ... ich habe eine Vorstellung von dem Lokal. Aber
Weitere Kostenlose Bücher