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Zeitreisende sterben nie

Zeitreisende sterben nie

Titel: Zeitreisende sterben nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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draußen auf dem Carmichael Drive. »Mir tut jeder leid, der bei dem Wetter draußen sein muss«, sagte sie.
    »Bleib einfach hier.«
    Sie lachte. »Das war keine Anspielung, Dave. Trotzdem danke. Aber wenn es nachlässt, muss ich nach Hause.«
    Sie unterhielten sich über Belanglosigkeiten. Sie hatte sich wieder beruhigt, und Dave redete sich gern ein, es läge an ihm. Aber im Grunde hatte er keine Chance. Selbst wenn Shel sicher in seinem Grab läge, verkörperte Dave doch immer noch zu viele Erinnerungen. Das Anständigste wäre, er würde einfach aus ihrem Leben verschwinden, wie der Car-michael Drive und die Bäume, die ihn säumten, gerade jetzt im Regen verschwanden.
    Sie sprach von einer Regenpause, damit sie nach Hause fahren könnte. Aber Daves Glück hielt vor. Der Regen fiel und fiel, und sie hielten sich stets in der Nähe des Feuers. Nun also war Dave endlich allein mit Helen, aber es waren qualvolle Stunden. Und doch hätte er nicht auf sie verzichten wollen.
    Der Wetterkanal meldete, ein Sturmsystem ziehe sich von New York bis runter nach Baltimore. Es würde die ganze Nacht hindurch regnen.
    Was hatte sie gesagt? »Mir tut jeder leid, der bei dem Wetter draußen sein muss.«
    Dave fühlte sich durchaus, als würde er im Regen stehen. Und an diesem Abend schien es für ihn keine Zuflucht zu geben.
    Sie erzählte von Shel, schüttelte den Kopf, als käme ihr gerade etwas in den Sinn, ging aber nicht weiter darauf ein.

    Stattdessen schwenkte sie um zu anderen Themen; ein Film, ein Neffe, der der Familie eine Menge Ärger bereitete, ein medizinischer Fortschritt, der die Hoffnung auf einen Durchbruch in der Therapie dieser oder jener Problematik barg.
    Dann waren da noch ein paar Patienten, um die sie sich Sorgen machte (natürlich nannte sie keine Namen). Und sie musste sich mit einigen Hypochondern herumschlagen, deren ganzes Leben sich um ihre eingebildeten Krankheiten drehte. Sie erzählte, Katie habe ihr verraten, dass er seinen Beruf zum Ende des Semesters aufgeben wolle. Wie wollte er von da an seinen Lebensunterhalt bestreiten? Er sagte, er wolle Kunst an- und verkaufen.
    »Ich wusste nicht, dass du dich mit Kunst auskennst.«
    »Ah, Schönheit«, sagte er gedehnt, »da ist so manches, das Ihr nicht von mir wisst.« Er fügte hinzu, dass er das Unterrichten vermissen würde, was keineswegs der Wahrheit entsprach, aber genau das war, was die Leute üblicherweise zu hören erwarteten.
    Was Jerry über Shel gesagt hatte, traf vermutlich mindestens genauso auf ihn zu. Dave hatte im Grunde nichts aus seinem Leben gemacht. Das Unterrichten hatte ihm nichts gebracht. Er war nie gut darin gewesen. Studenten drängten sich nicht in seine Seminare, wie sie es bei, sagen wir, Marian Crosby taten, und kein Student hatte je zu ihm gesagt, er hätte sein Leben verändert. Oder ihn dazu inspiriert, die Klassiker im Original zu lesen.
    Dave hatte erkannt, dass es ihm an Sinngefühl fehlte, an einem Grund zu leben, wenn Shel nicht da war. Das letzte Jahr hatte seinem Leben eine neue Dimension verliehen. Selma hatte ihn verändert. Ebenso wie Aristarchos und die Bibliothek. Wie Ben Franklin. Er hatte ein neues Verständnis dafür entwickelt, was Leben bedeutete. Und es war alles oben in den Aufzeichnungen der Gespräche mit Voltaire und Charles Lamb und Herbert Hoover und Aristoteles und H. G. Wells. Aus diesen Dialogen könnten die herausragendsten Bücher werden, die die Welt je gesehen hatte. Die Stimmen der Hauptdarsteller der Weltgeschichte, jener Leute, die an vorderster Front die Zivilisation vorangetrieben hatten. Berichte über ihre Träume, ihre Niederlagen, ihre Torheiten. Die Dryden-Dialoge.
    Aber es würde nie geschrieben werden.
    Um sieben Minuten nach sechs fiel der Strom aus, und es wurde dunkel. Das Timing war perfekt, denn Dave war gerade mit der Zubereitung des Abendessens fertig, und so saßen sie nun im flackernden Kerzenschein und witzelten darüber, wie romantisch das doch war. Die Wolken mochten sich nicht verzogen haben, aber für diese wenigen Stunden hatten sie sich immerhin etwas aufgelockert.
    Später gingen sie mit ihren Kerzen ins Wohnzimmer. Die Musik war verstummt, und so saßen sie da und lauschten dem Feuer. Dann und wann blickte Dave hinauf in Richtung Schlafzimmer und rechnete beinahe damit, die Tür könnte sich öffnen. Er versuchte, sich zu überlegen, was zu tun war, sollte Shel plötzlich am Kopf der Treppe auftauchen.
    Irgendwann ließ das Unwetter nach, und der Strom

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