Zeitreisende sterben nie
deutete an, dass er Dave nicht passieren lassen würde, sollte er keine Einladung vorweisen können.
Und Daves Instinkte verrieten ihm, dass Bestechung, Shels Worten zum Trotz, hier nicht funktionieren würde.
Nicht bei diesem Knaben. Er war zu neu. »Ja«, sagte er. »Der Verwalter bat mich zu kommen.« Er versuchte, sich an die Namen einflussreicher Männer in diesem Vatikan zu erinnern, aber sein Gehirn war wie leer gefegt.
»Aha.« Er nickte. Lächelte. Dachte darüber nach. »Gut. Bitte folgt mir, Pater.«
Sie betraten den Turm. Er führte Dave in ein Vorzimmer, bat ihn zu warten und verschwand durch eine Seitentür.
Ein Gemälde von Domenico Ghirlandaio schmückte den Raum, eine Darstellung des Jüngsten Gerichts. Ein Gott, der viel Ähnlichkeit mit Jupiter hatte, näherte sich in einer sonnenhell leuchtenden Kutsche seinem Thron, während die Engel sangen und die Menschen sich krümmten oder feierten, je nachdem, wie es um ihr Gewissen stand. Dave war in Versuchung, sich mit dem Bild davonzustehlen und ein anderes Mal herzukommen, um Shel rauszuholen.
Der Gardist kehrte mit einem Vorgesetzten im Schlepptau zurück. »Ihr wünscht, Kardinal Borgia zu sprechen?«, fragte der.
»Nein«, sagte er rasch. Dieses verkommene Monstrum war der letzte Mensch, den Dave zu sehen wünschte. »Nein, ich möchte Pater Shelborne besuchen. Um ihm die Beichte abzunehmen.«
»Aha.« Der Wachtmeister nickte, eine nichtssagende Geste, mit der er Dave in die Warteschleife verfrachtete. Er hatte kalte, ausdruckslose Augen, die zu dicht beisammen standen.
Seine Zähne waren unregelmäßig und teilweise abgebrochen, die Nase breit. Eine lange Narbe führte von seinem rechten Ohr über die Wange bis zur Lippe, wo sie ein permanentes höhnisches Grinsen herbeiführte. Der Mann konnte nichts dafür, aber er war, so dachte Dave, kaum in der Lage zu lächeln, ohne zumindest Kinder zu Tode zu ängstigen. »Pater, Euch ist sicher bewusst, wo Ihr Euch befindet. Hier wird man Pater Shelborne die Sakramente nicht verweigern.«
Dave drückte ihm eine Goldmünze in die Hand. »Wenn es sich dennoch einrichten ließe, Signore...«
Ohne mit der Wimper zu zucken, steckte der Wachtmeister flink die Münze in die Tasche. »Er muss sich schwer versündigt haben, Pater.«
»Es dauert nur ein paar Minuten, wenn Sie so freundlich wären.«
»Nun gut.« Er strich seine Uniform glatt. »Ich werde sehen, was ich für Euch tun kann.« Er führte ihn tiefer in das Gebäude hinein. Die Wände waren mit Fresken und Gemälden geschmückt; Darstellungen von Figuren, die sowohl der klassischen als auch der christlichen Mythologie entstammten, dazu Bilder von Kirchenvätern und Philosophen und von diversen Heiligen.
Sie stiegen vier Stockwerke hinauf und kamen durch Räume, die sogar noch kunstvoller geschmückt waren als die in den unteren Stockwerken. Dann verfrachtete ihn der Wachtmeister in einen Raum mit einer erlesenen Statue, die den Erzengel Michael mit gespreizten Flügeln und gezogenem Schwert darstellte. Kein gutes Zeichen.
»Ich bin in einer Minute zurück«, sagte er und ging hinaus auf den Korridor. Nun hatte Dave viel Zeit, den Erzengel zu bewundern, und er fragte sich bereits, ob er sich nach Hilfe umschauen sollte, als der Wachtmeister endlich zurückkam.
»Es tut mir leid, dass ich Euch warten lassen musste, Pater«, sagte er. »Bitte folgt mir.« Und schon waren sie wieder unterwegs, gingen einen langen Korridor hinunter, eine weitere Treppe hinauf und durch eine Kapelle.
Schließlich standen sie vor einer Tür mit Holzfüllungen. Der Wachtmeister klopfte, und die Tür öffnete sich zu einem gut eingerichteten Herrenzimmer.
Ein junger Mann saß dort hinter einem mächtigen, reich verzierten Schreibtisch und notierte etwas auf einem Bogen Papier. Rechts und links von ihm hatte je ein muskelbepackter Priester Position bezogen. Er war etwa in Michelangelos Alter, aber dieser Junge trug die rote Kleidung eines Kardinals. Und das verriet Dave, wer er war.
»Danke, Johann«, sagte er zu Daves Begleiter. Der Wachtmeister zog sich zurück und schloss leise die Tür. Die Wand hinter dem Kardinal schmückte sich mit einer Variation des päpstlichen Siegels. Und mit einem Kruzifix.
Mehrere dicke Bücher stapelten sich links von dem Kardinal auf dem Tisch. Eines war aufgeschlagen. Das einzige Licht im Raum stammte von den hinter schweren Vorhängen verborgenen Fenstern und zwei Öllampen.
Dies war Cesare Borgia .Jetzt nur nicht aufs
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