ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht
wichtigen Ladung nicht ab und machen den Ort ausfindig, an dem die Fracht aufbewahrt wird. Die Finanzpolizei erfährt dies durch einen Tipp. Das Kokain kann also nicht an diesem Ort bleiben. Mit einem Autokorso von fünfzehn Fahrzeugen der Finanzpolizei und ihrer Antiterroreinheit wird es zur nächstgelegenen Müllverbrennungsanlage Ospedaletto in der Provinz Pisa gefahren. Die Anlage wird Tag und Nacht bewacht, bis auch der letzte Skorpion und die letzte Dame in Flammen aufgegangen sind.
Die Logos kommen Anfang der siebziger Jahre auf Initiative eines großen peruanischen Händlers in Gebrauch und verbreiten sich im darauffolgenden Jahrzehnt dank der kolumbianischen und mexikanischen Kartelle. Von da an nimmt ihre Zahl sprunghaft zu, sie vermehren sich genauso schnell wie der Konsum des weißen Pulvers. Eine von der Europäischen Union 2005 in Auftrag gegebene Studie kam auf 2200 verschiedene Logos. Manche Narcos begnügen sich mit nüchternen Firmenlettern, andere ehren die eigene Fußballmannschaft, wieder andere haben eine Vorliebe für Tiere oder Blumen, für esoterische oder geometrische Symbole. Auch die Logos von Luxusautomarken kommen zum Zug oder sogar Comicfiguren. Man kann sie gar nicht alle aufzählen. Es lohnt sich aber, eine kleine Musterkollektion zu erstellen, nach Typen und Themen geordnet:
Tätowierungen: Skorpion, Dame, Delphin, Anker, Einhorn, Schlange, Pferd, Rose, Reiter und ähnliche Symbole, die den herkömmlichen Tätowierungsmotiven entsprechen, finden sich mit einem Prägestempel auf die Päckchen aufgebracht und stellen zusammen mit den elementaren geometrischen Formen die gängigsten Kennzeichnungen dar. Sie können sowohl den Absender als auch den Empfänger der Ware bezeichnen.
Fahnen: französische Trikolore, britischer Union Jack, sogar das Hakenkreuz. Sie sind nicht aufgeprägt, sondern in Farbe auf Zettel gedruckt und werden unter das Zellophan geschoben, in das jedes Päckchen eingewickelt ist. Die ersten beiden sind vermutlich Zustellungsangaben. Das Hakenkreuz wurde auf einer großen Partie Kokainpaste gefunden, die man zum Raffinieren in das bolivianische Grenzgebiet zu Brasilien schickte. Vermutlich ist es eine Bekundung ideologischer Sympathien.
Superhelden (undÄhnliches): das »S« von Superman, das Konterfei von Captain America, James Bonds Spezialarmbanduhr, aufgeprägt oder auf Zettel gedruckt. Als Provokation oder einfach nur zum Spaß eignen sich die Narcos die Ikonen der Hollywood-Phantasie an.
Comics: Was schauen sich die Narcos im Fernsehen an? Es ist erstaunlich genug, Homer Simpson oder die klassischen Walt-Disney-Figuren unter der Zellophanhülle der Kokainpäckchen zu finden. Aber die Teletubbies oder Hello Kitty, das von allen Mädchen der Welt geliebte japanische Kätzchen, dort zu entdecken, das ist unglaublich.
Ideogramme: Am 6. Juli 2012 wurden in Hongkong in einem aus Ecuador kommenden Container mehr als 600 Kilo Kokain beschlagnahmt, das für den Wachstumsmarkt Südostasiens und Festlandchinas bestimmt war. Alle Päckchen waren mit dem chinesischen Schriftzeichen ?, »Ping«, verziert, das zusammen mit einem anderen Zeichen »Frieden« bedeutet, aber auch »flach« oder »glatt« heißen kann. Ein Gruß mit Glückwunsch an die Käufer.
Markenzeichen: das Playboy-Häschen, die Flügel von Nike, die springende Raubkatze von Puma, das Krokodil von Lacoste, der Schriftzug Porsche, das Symbol der Formel 1 oder des Motorradherstellers Ducati. Das sind neben den herkömmlichen Tätowierungsmotiven die am meisten verbreiteten Markenzeichen. Doch letztlich lassen sich die Leute alle diese von den Händlern bevorzugten Symbole - von den orientalischen Schriftzeichen bis zu den Comicfiguren - auf die Haut tätowieren. Die Narcos kommunizieren über die universelle Sprache der modernen Popkultur, zu der ihre Ware genauso gehört wie die Marken, die sie sich aneignen. Sie vermeiden es allerdings, ihre eigenen typischen Symbole zu verwenden, Totenköpfe zum Beispiel, Kreuze oder das Bild der Santa Muerte, mit denen sich die Mitglieder der mexikanischen Kartelle und erst recht der mittelamerikanischen Maras häufig tätowieren lassen. Der Kult ist eine interne Angelegenheit, das Markenzeichen etwas anderes. Die Kartelle benutzen jedoch berühmte Logos auch für den internen Gebrauch und schmücken damit ihre Autos, T-Shirts, Mützen und Schlüsselanhänger. Los Zetas erkennt man heute am Ferrari-Pferdchen, das Golf-Kartell am Hirsch von John Deere, dem
Weitere Kostenlose Bücher