ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht
weltgrößten Hersteller von Landmaschinen - unauffällige Aufkleber oder Gadgets, die man
überall bekommt. So werden die allseits bekannten Marken zu geheimen militärischen Abzeichen.
Der unendliche Wildwuchs von Symbolen im Kokainhandel verweist auf das sich stetig verändernde Geflecht der Routen, Weichen und Verzweigungen, die festzulegen sind, bevor eine Ladung auf den Weg gebracht wird. Es entsteht aus der ständigen Suche nach großen und kleinen Schiffen und Besatzungen, nach Containern, die unter Hunderten anderer auf ein und demselben Mutterschiff zu identifizieren sind, den Legionen von Menschen, die in den Schifffahrtsgesellschaften, den Speditionen, Zollstationen und Häfen sowie bei der lokalen und nationalen Polizei zu bestechen sind. Die über Kolumbien, Peru und Bolivien verstreuten Anbauflächen, die Hunderttausenden von Bauern, die die Cocablätter in den Plantagen der Andenregion pflücken, die Arbeiter und Chemiker, die in der Verarbeitung der Blätter bis hin zu den Päckchen oder zum flüssigen Kokain beschäftigt sind, machen nur einen marginalen Teil des gesamten Geschäfts aus. Der Rest ist der Transport.
Der Transport stärkte die mexikanischen gegenüber den kolumbianischen Kartellen, und der Hafen von Gioia Tauro legte die Basis für die Macht und das internationale Ansehen der ’Ndrangheta und insbesondere der Familie Piromalli und ihrer Verbündeten, die laut der Antimafiasondereinheit DIA zum größten Clan ganz Westeuropas aufstiegen. Da der Drogenhandel zum größten Teil übers Meer abgewickelt wird, trat bald ein neuer Akteur auf den Plan, dessen Leistungen mit Gold aufgewogen werden: der Logistikmanager. Manche nennen ihn Systemmanager, andere Doctor Travel. Er spielt oft eine maßgeblichere Rolle und verdient mehr als der Broker, vor
allem wenn dieser Broker nicht das wirtschaftliche Potenzial und das Organisationstalent eines Pannunzi oder eines Loca-telli hat, sondern einer der vielen kleineren Zwischenhändler ist, die die Lieferung verhandeln und dann den Weg der Ware in den wichtigsten Phasen der Verschiffung, den größeren Zwischenstopps und der Ankunft am Zielort verfolgen.
Der Logistik- oder Systemmanager muss sich um alles andere kümmern. Um jede dazwischenliegende Etappe und jede Umladung, um die Modalitäten des Transports, die Zollformalitäten, die Tarnladungen. Er muss Strategien zur Lösung oder Eingrenzung von Problemen und zur Schadensminimierung entwickeln, falls etwas schiefläuft. Jedes Detail muss er planen, jeden Schritt und alle Kanäle im Blick behalten, auf die sich das Kokain während des Transports aufteilt. Er muss die Übergänge nicht nur fließend gestalten, sondern als ebenso differenziertes wie stabiles Projekt: als System.
Ein Transportsystem für eine große Ladung Kokain zu entwickeln dauert Monate. Und sobald es einmal ausgearbeitet, getestet und ein paarmal genutzt wurde, muss es schon wieder geändert oder neu konzipiert werden. Die Systemmanager arbeiten global, aber antizyklisch. Sie befinden sich im ständigen Wettlauf gegen die Ermittler, die versuchen, die Wege des Kokains aufzuspüren. Deshalb sind ihre Dienste sehr kostspielig. Nur die größten Drogenhandelsorganisationen oder die größten Broker können sie sich leisten. Die reichsten und mächtigsten Kartelle können es sich sogar erlauben, die neuen Routen zu testen, indem sie zunächst »saubere Ladungen« ohne Drogen verschicken, wie in der Testphase eines jeden Systems.
So machte es das Sinaloa-Kartell, ohne zu wissen, dass das FBI von Boston und die spanische Polizei mit der Operation
Dark Waters bereits ein Auge darauf hatten: eine bahnbrechende Ermittlung in der Geschichte des Drogenhandels, weil sie das Interesse der mexikanischen Kartelle offenlegte, den europäischen Markt direkt zu beliefern, den bis dahin die Kolumbianer beherrschten. Am 10. August 2012 verhaften Beamte der spanischen Polizei mitten in Madrid vier Mitglieder der mexikanischen Organisation, darunter den Cousin von Joaqum Guzman Loera (»El Chapo«), des meistgesuchten und mächtigsten Bosses der Welt. Manolo Gutierrez Guzman erörterte dort mit einem Rechtsberater und zwei Männern seines Vertrauens neue Projekte für den Transport der Ladungen über das traditionelle Einfallstor Spanien.
Es hatte Jahre zuvor angefangen, als das FBI auf etwas Wertvolleres stieß als ein mit tonnenweise Kokain beladenes U-Boot: eine Quelle mit Zugang zur höchsten Führungsebene des Sinaloa-Kartells. Die
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