ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht
Behörde beschließt, die erhaltenen Informationen im Rahmen einer großen verdeckten Operation zu überprüfen. Von Anfang 2010 an machen sich die eingeschleusten Agenten an El Chapos Cousin und andere einflussreiche Männer heran, indem sie sich als Mitglieder einer in den USA und in Europa bestens eingeführten italienischen Organisation ausgeben. Sie suchen nach neuen Lieferanten und können beste Kontakte zum andalusischen Hafen von Algeciras vorweisen. Die Mexikaner gehen begeistert auf den Vorschlag ein und nehmen die Verhandlungen auf: Sie beabsichtigen, jeden Monat eine Tonne Kokain in einem Containerschiff aus Südamerika loszuschicken. Die »italienischen Partner« sollten zwanzig Prozent jeder Ladung als Bezahlung dafür erhalten, dass sie das Kokain durch den Hafen von Algeciras schleusen. Den Rest würden die Mexikaner über ein neues Netz operativer Zellen in ganz Europa vermarkten. Im August 2011 ist alles bereit. Bevor allerdings so enorme Mengen Kokain losgeschickt werden, will das Sinaloa-Kartell die Sicherheit der Route überprüfen. Viermal hintereinander lässt es von ihr kontrollierte ecuadorianische Firmen Container auf den Weg bringen, die nur mit Obst gefüllt sind. Nach erfolgreichem Test geben die Narcos Bescheid, dass ihre erste Ladung versandfertig ist: 303 Kilo, für den europäischen Markt bestimmt und in einem Container versteckt, der von der brasilianischen Hafenstadt Santos aus auf die Reise geht. Eine ziemlich kleine Partie, mit der vorsichtig das Eis gebrochen werden soll - eine gute Geschäftsregel auch für eine große Holding. Aber in diesem Fall nicht gut genug. Am 28. Juli 2012 fangen die Behörden die Ladung im Hafen von Algeciras ab und nehmen fast gleichzeitig die Mexikaner fest, die zur Verabredung mit ihren vermeintlichen Partnern erscheinen, um neue Lieferungen zu besprechen. Den größten Schaden erleidet das Sinaloa-Kartell durch die Aufdeckung und vorläufige Zerschlagung seiner Bemühungen um eine Expansion nach Europa. Der Rest - Beschlagnahmung einzelner Ladungen, sogar die Verhaftung ranghoher Männer wie des Cousins des Bosses - wird als unvermeidlicher Verlust verbucht, den eine derart starke und gut etablierte Organisation ohnehin einkalkuliert.
Umsonst arbeiten dagegen oft die Spezialisten aus dem Planungsstab, auch wenn die Umstände häufig weniger dramatisch sind. Die Bezahlung der Systemmanager erfolgt nach einem Muster, das für viele Freiberufler gilt. Sie erhalten einen Vorschuss, um die Kosten für die Entwicklung und Realisierung des Systems zu decken. Das eigentliche Honorar gibt es erst, wenn die Ladung ihr Ziel erreicht hat. Die Bezahlung kann auch in Form eines Anteils der transportierten Ware erfolgen, der zwischen zwanzig und dreißig Prozent der Gesamtmenge abzüglich der Transportkosten beträgt. Entscheidend ist der Bestimmungsort der Ware, auch für die Berechnung der Transportkosten und des Honorars für den Systemmanager. Je risikobehafteter das Endziel ist, desto perfekter muss das System ausgearbeitet sein. Auf der Iberischen Halbinsel an Land zu gehen ist weniger kostspielig als in Italien, einem der schwierigsten und damit teuersten Ziele in ganz Europa.
Es gibt einen Ort, der alle Quotierungen festlegt, um die auf dem Kokainmarkt gerungen wird, einschließlich der Tarife für den Transport. Wie bei der Diamantenbörse in Antwerpen, die später nach New York verlegt wurde, ist auch die Weltbörse für Kokain auf dem größten Importmarkt angesiedelt: früher in Amsterdam, heute in Madrid. Seinerzeit wurde über die Durchschnittswerte von Kosten und Preisen in Holland entschieden, aber seit die Kokainladungen über die Iberische Halbinsel nach Europa gelangen und die wichtigsten Käufer in Madrid sitzen - allen voran die italienischen Mafiaorganisationen -, wurden auch die Verhandlungen nach Spanien verlegt.
Um die Bedeutung des Systemmanagers richtig einzuschätzen und zu verstehen, warum die Drogenhändler ihm einen so großen Anteil am Gewinn überlassen, muss man zwei zentrale Probleme betrachten, mit denen er sich beschäftigt: die Häfen und die Tarnladungen. Die großen Häfen - und die großen Flughäfen - bergen die größte Gefahr, denn die Geräte zur Sicherheitskontrolle arbeiten mit Gamma- oder Wärmestrahlung, die in der Lage sind, Drogen und Sprengstoffe in den Containern aufzuspüren. Der Container wird unter diesen riesigen Metalldetektoren praktisch gescannt. Die verschiedenen Materialien im Inneren erscheinen auf
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