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Zerstörte Seelen

Zerstörte Seelen

Titel: Zerstörte Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Mooney
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dass die Spinnen im Film noch nicht sichtbar waren, doch sie hörte die leisen Klopfgeräusche, die entstanden, wenn sie gegen die Wände ihres Behälters liefen. Caseys Tochter hörte die Geräusche ebenfalls. Alle paar Sekunden hielt sie inne, blickte auf und lauschte angestrengt – ahnte wohl eine Gefahr, die hoch über ihrem Kopf lauerte.
    Das Objektiv bewegte sich nicht.
Die Kamera muss auf einem Stativ stehen
, dachte Darby. Sie lenkte ihre Aufmerksamkeit von Sarah Casey weg auf die Steinmauern hinter der durchsichtigen Zelle. Uralt und rissig, wie sie waren, erinnerten sie Darby an die Wände der Kirchen, die sie in Paris gesehen hatte. Wände, an die nie ein Sonnenstrahl gedrungen war, staubig und glatt. Ihr fiel die ungleichmäßige Färbung der Mauern auf dem Video auf. Neben schwarzen Flecken gab es auch Flecken in helleren Farben.
    Der Bildausschnitt vergrößerte sich, und die Spinnen wurden sichtbar. Nicht für Sarah Casey, aber für den Betrachter. Das Mädchen prallte gegen eine der glatten Wände und schrie. Darby sah zu, wie die schmutzige Hand sich auf den Hebel für den Boden des Spinnenbehälters legte, wie der grüne Schein des Nachtsichtgerätes erlosch. Stattdessen leuchtete nun ein Strahler von einer Stelle oberhalb des Kameraobjektivs.
    Geblendet von der plötzlichen Lichtflut, hob Sarah Casey die Hände. Ihre tränennassen Wangen waren geschwollen, sie atmete so schnell und flach, dass sie fast hyperventilierte. Langsam ließ sie die Hände sinken, sah die Person, die hinter der Kamera stand und schrie. Sie wich zurück, stieß gegen die hintere Wand ihrer Zelle, hörte die Geräusche über ihrem Kopf, schaute hinauf und stieß einen weiteren Schrei aus.
    Nun folgte die Sequenz, die Darby bereits gesehen hatte: Das Mädchen schlug gegen die Wand ihres transparenten Gefängnisses und rief nach ihrem Vater. Dann sank sie wimmernd in einer Ecke in sich zusammen. Ihre Blicke flogen zwischen den Spinnen über ihrem Kopf, der Person am Hebel und der Videokamera hin und her. Aus den Lautsprechern kam nun ein scharrendes Geräusch, Sarah Casey schaute zur Kamera. Sie blinzelte mehrmals und wischte sich die Tränen aus den Augen, die sich plötzlich weiteten. Dann presste sie nur ein einziges Wort hervor:
    «Daddy.»
    Der Kamerawinkel veränderte sich, Sarah Casey war nicht mehr im Bild. Im Nachtsichtmodus richtete sich das Objektiv auf eine andere Person, eine Frau mittleren Alters mit fast modellhaft perfektem Aussehen, hohen Wangenknochen und langem blondem Haar. Ihre langen Beine waren an einem primitiven Operationstisch festgeschnallt. Der Anblick der Lederriemen, die sich in die Hand- und Fußgelenke der Frau gruben, ließ Darby an die Abschürfungen denken, die sie an Mark Rizzos Leiche gefunden hatten. Sie fragte sich, ob er am selben Tisch festgebunden worden war.
    «Meine Frau», sagte Casey mit hohlklingender Stimme. «Taylor.»
    Seine Frau trug Shorts und ein ärmelloses Shirt. Die Schuhe und Socken fehlten. Ihr Kopf war mit einem breiten, um die Stirn geführten Lederband fixiert. Der Blick aus ihren weit aufgerissenen, angsterfüllten Augen huschte ziellos durch die Dunkelheit.
    Sekunden vergingen, in denen nichts passierte. Darby sah sich die Wände an. Sie unterschieden sich kaum von denen um Sarah Caseys Zelle – dieselben trockenen, grob behauenen Steine, die fleckige Farbe, dieselben Risse und Spalten im Verputz. Auf der linken Bildseite gab es einen Schatten. Vielleicht eine Tür oder ein Durchgang.
    Schließlich trat eine Gestalt in einem schwarzen Gewand an den Tisch. Ihr Kopf war nicht sichtbar, und die Frau schien sie nicht zu hören. Sie konnte auch die Hand nicht sehen, die etwas unter dem Tisch hervorzog – ein langes, schmales Instrument aus Metall, das geformt war wie ein großer Zimmermannsnagel.
    Darby spürte, wie ihr der Schweiß aus den Poren am Haaransatz brach. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie Casey. Das Licht des Bildschirms warf einen grünen Schimmer auf sein zerfurchtes Gesicht. Sein Blick verfolgte unbewegt das Geschehen. Er öffnete den Mund, nicht um etwas zu sagen, sondern um einen Schluck Whiskey zu trinken.
    Der Mann in dem Gewand ging zum Kopfende des Tisches. Taylor Casey sah ihn nicht. Die Kamera zoomte auf ihr Gesicht. Als der Daumen des Mannes ihr oberes Augenlid anhob, schrie sie und bäumte sich auf. Die Fesseln schnitten ihr ins Fleisch.
    Darbys Magen krampfte sich zusammen. Sie zwang sich hinzusehen, doch der Bildschirm wurde schwarz.

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