Zerstörter Traum vom Ruhm
auf.
»Sie kennen Gustl Bretschnider nicht? Den berühmten Regisseur? Der hat Filme gemacht, die gehören zur Klassik.«
»Sie glauben wirklich, daß Franz' Drehbuch ein Erfolg wird?« fragte Martina.
Herwig Walker schlug sich wieder an die Brust.
»Wenn dieser Film kein Kassenrekord wird, können Sie mich schlachten und am Spieß als Mastochsen braten. Haha!«
»Ich würde annehmen, daß Sie sehr zäh wären.«
»Wie Leder! Im Filmgeschäft gilt nur der, aus dessen Haut man Riemen schneiden könnte! Sie werden es noch kennenlernen. Wir fahren sofort zu den Ateliers!« Walker sah auf die Tür. Die Sekretärin stand darin und winkte: »Was ist denn?« brüllte er. »Ich will nicht gestört werden! Raus!« Aber als sie weiterwinkte, hob er die Schultern und wandte sich an Martina. »Einen Augenblick. Ich werde gleich wieder da sein. Wir fahren sofort ins Gelände.« Er ging zur Tür und beugte sich zu der Sekretärin vor. »Was ist denn, Richter?«
Das Mädchen hielt ihm einen Zettel hin. Mit Rotstift stand darauf: »Draußen will der Gerichtsvollzieher Sie sprechen.«
Walker schnaufte und sah die Sekretärin böse an. »Halt bloß die Schnauze, Puppe!« flüsterte er. Mit den dicken Fingern zerknüllte er den Zettel und steckte ihn in die Tasche. Breit lächelnd wandte er sich dann wieder Martina und Poltecky zu.
»Ein bekannter Star will mich sprechen«, sagte er und winkte ab. »Die Leute haben nie Zeit. Aber nicht bei mir! Wir fahren zu den Ateliers.«
Es war ein Augenblick, in dem Martina bereit war, Herwig Walker alles zu glauben, was er sagte. Und leider tat sie es auch.
Die Fahrt ging hinaus nach Blankenese. Dort, an der Grenze des Landschaftsschutzgebietes Sülldorf, hielt der schwere Wagen Direktor Walkers.
Für Martina Schneewind war diese Fahrt ein Ausflug in eine Traumwelt. Eine Welt, die sie nur von der Leinwand her kannte, aus den Filmzeitschriften und Illustrierten.
Herwig Walker zeigte auf eine große Halle, die seitlich der Straße zwischen schlanken, weißrindigen Birken und Holunderbüschen lag. Sie hatte ein grünes Dach und schmiegte sich in die Landschaft ein, als sei sie mit ihr und aus ihr gewachsen.
»Unsere Ateliers«, sagte Walker und machte eine Handbewegung, die das ganze Gelände umfaßte. »Wir haben vom Senat die Genehmigung bekommen, im Landschaftsschutzgebiet die Außenaufnahmen zu machen, solange wir nichts verändern. Wie sollten wir etwas verändern! Schöner, als die Natur es macht, kann es kein Architekt herstellen, haha!« Er stieg aus dem Wagen und half Martina auf die Straße. Über den Weg, der zu der Halle führte, kam ihnen eine große, schlanke Gestalt in weißen Leinenhosen und einem Overall entgegen.
»Da ist ja schon der Bretschnider!« rief Walker. Franz v. Poltecky drückte die Aktenmappe an seine Brust. Der Regisseur, dachte er. Der Regisseur meines ersten Filmes. Ich habe vor lauter Aufregung Herzschmerzen.
Gustl Bretschnider sah Martina aus großen, glänzenden Augen an, ehe er die hingehaltene Hand hochzog und einen Handkuß auf den Handrücken hauchte. Dann drückte er Poltecky die Finger.
»Sie kommen eine Stunde zu spät«, sagte er, nachdem er Martina noch einmal gemustert hatte, was sie leicht rot werden ließ. »Die ersten Probeaufnahmen sind im Kasten, die Darsteller sind weg – nur die Negativrollen sind im Labor zur Entwicklung.«
»Das schadet nichts!« Walker faßte Martina Schneewind unter. »Sehen wir uns die Dekorationen an, die Halle, das Freigelände … Sie werden staunen …«
Und Martina staunte. Sie sah eine riesige Halle, die völlig leer war, kalt und fast feindlich. Lediglich an der Wand lehnten ein paar Pappbäume, eine roh gemalte Kulisse, die eine Hausfassade mit einem Balkon zeigte, und zwei aufgemalte Leinwandfenster in einem Holzrahmen.
»Die Dekorationen der ersten Szene«, erklärte Gustl Bretschnider. »Balkon des Herrenhauses und Zimmer des Fräuleins v. Gleichen.«
»Das?« fragte Martina und zeigte auf die Pappbäume und die schreckliche Holzfassade.
»Das soll ein Herrenhaus sein?« wunderte sich auch Poltecky.
Herwig Walker lächelte mild. »Film ist Illusion – das wissen Sie doch! Wenn darauf die Scheinwerfer scheinen, die Kamera im richtigen Winkel fotografiert und ein Mensch davor hin und her läuft – ist das das schönste Herrenhaus, das es je im Film gab!« Er lachte laut. »Und mit einem Baum stellen wir die herrlichste Liebesszene im Park her!«
»Aber warum machen Sie das, wenn Sie draußen
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