Zerstörter Traum vom Ruhm
heiraten wollte?«
»Er ist nicht schlecht, glauben Sie es mir. Er ist ja selbst betrogen worden! Auch ich habe ja alles geglaubt, was man uns gezeigt hat. Das Filmatelier, den Regisseur, die Kulissen, das Außengelände. Wer wäre nicht darauf hereingefallen?«
»Ich!« Der Schulrat zog an seiner Krawatte. »Um nur ein Beispiel zu nennen! Ich sehe alle Dinge real! Ich lasse mich nicht von der Scheinwelt blenden. Ich verkehre erst gar nicht mit ihr. Ich sehe sie gar nicht! Ich weiß: Ich bin Lehrer! Ich habe jeden Tag vierzig Kinder zu unterrichten. Ich muß ein Vorbild sein. Ich habe die Verantwortung der heranreifenden Jugend gegenüber. Das ist meine Welt! Darauf konzentriere ich mein Denken, mein Tun, mein ganzes Leben. Jeder Mensch hat seinen Platz, an dem er stehen soll und muß. Voll und ganz!« Er trank hastig seinen Weinbrand, denn er hatte sich in eine Erregung geredet, die seine Kehle rauh werden ließ. »Ich kann Ihnen nur eines raten – und um einen Rat sind Sie ja zu mir gekommen: Stellen Sie einen Strafantrag wegen Heiratsschwindels! Und kehren Sie zurück in die Schule, zu Ihren Kindern, zu der Sicherheit Ihres Berufes. Und vergessen Sie alles, was geschehen ist. Es war eine Episode.«
»Und wenn wir ihm unrecht tun?« Martina sah flehend zu dem Schulrat empor. Er wich ihrem Blick aus und ging im Zimmer hm und her.
»Er wird es ja vor Gericht beweisen können!«
»Er wird nie verstehen, daß ich ihn anzeigte. Daß ich so etwas von ihm glauben konnte.«
»Und wo kommen die anderen 7.000 Mark her?«
Es war ein Argument, dem sich Martina Schneewind nicht verschließen konnte. Hier war eine Frage, die niemand beantworten konnte als Franz v. Poltecky allein. Und Martina flehte im Inneren, daß es eine glaubwürdige Antwort sein möge.
»Ich will es Ihnen sagen.« Der Schulrat goß sich noch ein Glas Weinbrand ein und trank es schnell aus. »Sie haben diesen Schuster durch eine Zeitungsanzeige kennengelernt – übrigens komisch, daß Sie auf so etwas schreiben! Gibt es keine netten Kollegen? Aber wie's sei – Sie schrieben. Glauben Sie, Sie waren die einzige Dumme – so muß ich es nennen –, die ihm schrieb? Diese anderen 7.000 Mark hat er von anderen Frauen ergaunert.«
»Nein!« schrie Martina gequält dazwischen.
»Er hat auch Ihnen die Ehe versprochen und Ihre Ersparnisse genommen! Forschen Sie nach, und wenn es stimmt – und es gibt da gar keinen anderen Weg, um zu dem Geld zu kommen –, haben Sie den Beweis, deutlicher als Ihnen lieb ist.« Der Schulrat legte die Hand auf Martinas Schulter.
»Stellen Sie Strafantrag! Und vergessen Sie alles. Sie haben nicht viel verloren an diesem Mann, ob er schuldig oder auch unschuldig ist.«
Die letzte Möglichkeit, einen Rat zu bekommen, war damit für Martina erschöpft. Sie saß am Abend wieder weinend und verzweifelt in ihrer kleinen Wohnung und rang mit dem Gedanken, wirklich zur Kriminalpolizei zu gehen und Poltecky anzuzeigen.
Aber was hatte sie damit gewonnen? Wurde damit der Druck von ihrer Seele genommen, konnte sie damit ihre Liebe zu Poltecky töten? Bekam sie ihre 7.000 Mark wieder – das Geld, das sie in all den Jahren von ihrem Gehalt gespart hatte, das nie ausgeträumte Träume in sich schloß?
Nichts wäre gewonnen, auch wenn Poltecky verurteilt werden sollte. Nur die Ernüchterung blieb, die grenzenlose, kaum überwindbare Enttäuschung.
Im Godesberger Krankenhaus ließ sich Poltecky seinen zerbrochenen Gips abnehmen.
Der Arzt wollte zwar nach dem Röntgenbefund wieder einen neuen Gehgips anfertigen, aber Poltecky weigerte sich energisch.
»Ich kann auf dem Bein stehen, ich kann laufen, es schmerzt nicht mehr. Was wollen wir mehr?« sagte er.
»Der Bruch ist noch nicht fest genug. Eine unvorsichtige Bewegung, eine zu starke Belastung, ein neuer Fall – ja nur ein Stoß dagegen – und der Bruch ist wieder da!« Der Arzt hob die Schultern, als Poltecky immer wieder den Kopf schüttelte. »Wie Sie wollen. Aber wir übernehmen keine Verantwortung. Ich kann Sie nicht zu dem Gehgips zwingen.«
»Das können Sie nicht. Und es wird auch nichts geschehen. Ich muß mich frei bewegen können. Ich liebe die Freiheit.«
Wie lange noch, dachte er.
Erna war wieder in ihrem Dienst im Auswärtigen Amt, als Poltecky zur Amalienstraße 17 zurückkehrte. Der kleine Mann mit den grauen Stoppelhaaren hatte geraten, Erna weiter zu beschäftigen, als sei nichts geschehen, um bei dem Agentenring keinerlei Verdacht aufkommen zu lassen. Was
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