Ziel erfasst
wollten.
General Rehan erreichte kurz nach dem Telefongespräch mit Oberst Khan seine Villa. Einige Minuten später saß er mit Suleiman Murschidow, dem ehrwürdigen geistlichen Führer der dagestanischen Jamaat Shariat, am gleichen Tisch. Der alte Mann war mindestens achtzig Jahre alt, dachte Rehan. Seine Augen waren durch den grauen Star ganz milchig geworden, und seine Haut wirkte wie Ufersand, den der Wind in Falten geblasen hatte. Er stammte aus den Bergen des Kaukasus. Riaz nahm an, dass er noch nie in Dubai gewesen war und noch niemals Wolkenkratzer oder überhaupt Gebäude gesehen hatte, die höher waren als die Plattenbauten in Machatschkala aus der Sowjet zeit. Ganz bestimmt hatte er noch keinen führenden ausländischen Geheimdienstmann getroffen.
Neben dem Tisch standen einige von Rehans Offizieren und Leibwächtern. Der Alte hatte vier Männer dabei, die alle bedeutend jünger waren als er. Sie sahen nicht wie Leibwächter, sondern eher wie Söhne und Enkel aus. Sie fühlten sich offensichtlich in dieser Umgebung äußerst unwohl. Auf ihrer Stirn glänzte der Schweiß, und sie ließen ihre Blicke ständig über die bewaffneten Leibwächter und durch den ganzen Raum wandern, als ob sie erwarteten, jeden Moment von diesen dunkelhäutigen Männern gefangen genommen zu werden.
Der geistliche Führer aus Dagestan hatte vor einigen Tagen um dieses Treffen gebeten. Rehan kannte den Grund und hielt das Ganze für ziemlich kindisch. Er war in den letzten Monaten durch die ganze Welt gereist und hatte sich mit Rebellengruppierungen und internationalen Terrororganisationen in Ägypten, Indonesien, Saudi-Arabien, dem Iran, Tschetschenien und dem Jemen getroffen. Nach Dagestan war er dabei jedoch nicht gekommen. Die Jamaat Shariat, die wichtigste dagestanische islamistische Organisation, war in Rehans und seiner Leute Augen nur ein unbedeutendes Anhängsel der Gruppierungen in Tschetschenien. Dies galt umso mehr, seitdem die Gruppe ihren militärischen Führer Israpil Nabijew verloren hatte. Aber bereits vor Nabijews Gefangennahme durch die Russen hatte Riaz Rehan die Dagestaner nie zu seinen Treffen eingeladen. Da die Tschetschenen mit ihnen zusammenarbeiteten, hatte er sich nur mit diesen getroffen.
Rehan vermutete, dass die Dagestaner deshalb auf ihn sauer waren und das Gefühl hatten, er habe sie beleidigt. Deshalb hatten sie ihren geistlichen Führer geschickt, der ihm jetzt erklären sollte, dass sie immer noch einsatzfähig seien und nur die Jamaat Shariat für Dagestan sprechen könne, blablabla …
Rehan schaute den alten Mann auf der anderen Seite des Tisches an. Der pakistanische General war sich sicher, dass ihm jetzt eine lange Predigt dieses Heiligen aus den Bergen blühte.
Jeder im Raum sprach arabisch. Rehan begrüßte die Gesandtschaft aus Dagestan, erkundigte sich nach ihrem Befinden und fragte sie, wie die Reise verlaufen sei.
Nach diesem Austausch von Höflichkeiten wollte Rehan das Morgentreffen möglichst schnell hinter sich bringen. »Wie kann ich Ihnen heute zu Diensten sein?«
»Meine Freunde in Tschetschenien haben mir erzählt, Sie seien ein Mann Gottes.«
Rehan lächelte. »Ich bin nur dessen demütiger Gefolgsmann.«
»Meinem Volk wurde durch die Gefangennahme Israpil Nabijews ein schwerer Schlag versetzt.«
»Ich habe davon gehört. Ich weiß, dass er ein kühner Befehlshaber seiner Truppen war.« In Wirklichkeit hielt Rehan nicht viel von den Dagestanern. Er hielt die Tschetschenen für die weit besseren Kämpfer. Trotzdem hatte dieser Nabijew auch seine tschetschenischen Freunde beeindruckt. Sie meinten, er stehe eine Stufe über den anderen dagestanischen Kämpfern, die nach Rehans Meinung kaum mehr als Kanonenfutter für die Russen waren.
Murschidow nickte. Offensichtlich hatten ihm die netten Worte gefallen. »Er war meine große Hoffnung für die Zukunft meines Volkes. Ohne ihn müssen wir uns wohl jetzt außerhalb unseres Landes nach Unterstützung umsehen.«
Aha, da will mich jemand um etwas bitten. Rehans Laune besserte sich. Wenn der Alte etwas benötigte, würde er ihm bestimmt nicht erst lange die Leviten lesen. »Ich bin Ihnen zu Diensten. Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Die Tschetschenen sagen, dass Sie bald Pakistan anführen werden.«
Rehan verzog keine Miene, aber innerlich begann sein Blut zu kochen. Er hatte alle Teilnehmer an seinen Treffen zu absoluter Geheimhaltung verpflichtet. »Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Im Augenblick ist die Situation
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