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Zigeunerprinz

Titel: Zigeunerprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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Treppe herabgelassen. Heraus trat eine Dame in nerzbesetztem grünem Samt und einem gefiederten Hut. Er saß vorgekippt auf dunkelbraunem Haar, das an den Schläfen die ersten Silbersträhnen zeigte.
    Bis der elegant beschuhte Fuß das Pflaster berührt hatte, war Roderic die Stufen zum Hof heruntergeeilt, gefolgt von Rolf, der sich würdiger und langsamer bewegte. Trotzdem war es Rolf, der vortrat, um die dargebotene Hand zu nehmen und sie an seine Lippen zu führen, bevor er die Dame in seine Arme zog.
    Als er wieder sprechen konnte, sagte er: »Angeline, du schlechtes Weib, so voller Neugier und aufdringlicher Instinkte - wer kümmert sich um mein Königreich?«
    »Ein Schwarm von Männern, vom Kammerherrn bis zum Minister, und jeder einzelne davon ist qualifizierter als ich«, antwortete sie ohne das geringste Anzeichen von Reue. »Du konntest doch nicht ernsthaft glauben, daß ich Weihnachten allein verbringe, während ihr alle in Paris seid? Gesteh, daß du meine Ankunft seit Tagen erwartest.«
    »Und daß ich mir über dein Ausbleiben Gedanken machte.«
    »Abscheulicher Mensch«, erklärte sie mit liebevollem Lächeln. Sie rückte sich den Hut zurecht und wandte sich an ihren Sohn. »Also, wo ist deine Verführerin?«
    »Mama, du bist furchtbar, du könntest Rücksicht auf ihre Gefühle nehmen«, mahnte er lachend, während er sie schwungvoll umarmte, so daß sie sich den Hut erneut geraderücken mußte.
    »Weshalb? Wenn einer von euch das bis jetzt getan hätte, würde mich das sehr schockieren.«
    Mara hatte auf der Treppe gewartet. Sie trat vor, und Roderic kam zu ihr, um ihre Hand zu nehmen und sie formvollendet vorzustellen. Ein Lächeln legte sich um Angelines gütigen Mund, das bis in ihre weichen graugrünen Augen stieg, bevor sie sie herzlich umarmte.
    »Was für eine freudige Überraschung, endlich meiner Patentochter zu begegnen und eine so ungewöhnliche Frau kennenzulernen. Ich sehe etwas von Ihrem Vater in Ihnen. Ich habe gehört, daß Helene Sie begleitet? Lassen Sie uns hineingehen und ausführlich plaudern.«
    Die Ankunft von Roderics Mutter hellte die Atmosphäre im ruthenischen Haus deutlich auf, und der öffentliche Salon füllte sich bald mit ihren Freunden und Bekannten und all jenen, die sie angemessen in der Stadt willkommen heißen wollten. Die Tage wirbelten in einer Folge von Besuchen,
    Soireen, Bällen und Theater- sowie Opernbesuchen vorbei. Man kaufte Geschenke für die Silvesterfeier, oder man machte Kutschfahrten durch die Stadt. Nachdem sie an jenem ersten Abend die ganze Geschichte der Beziehung zwischen Mara und Roderic gehört hatte, sagte Angeline kaum mehr etwas darüber. Sie begegnete Mara mit einer gewissen familiären Zuneigung, aber sie stellte sich in dem Streit zwischen Vater und Sohn auf keine Seite.
    Es gab einen Vorfall, der den gleichmäßigen Verlauf dieser Tage störte. Eines Abends in der Comedie Française hob Mara ihr Opernglas, blickte zur Loge gegenüber jener der ruthenischen Gesellschaft und erspähte de Landes. Der Mann besaß die Unverschämtheit, sie anzulächeln und sich zu verbeugen. Es schien ihm keineswegs zu gefallen, daß Mara ihren Blick ohne ein Zeichen des Erkennens weiterwandern ließ.
    Weihnachten kam und ging. Heiligabend besuchte man eine Christmette, eine wunderschöne Zeremonie im Lichte Tausender von Kerzen. Am ersten Weihnachtsfeiertag wurden Wagenladungen von Lebensmittelkörben an Waisenhäuser und Hospitale verschickt. Alle Päckchen waren von Angeline gepackt worden - mit Julianas und Maras Hilfe. Der Tag, an dem man einander Geschenke machte, der Neujahrstag, wurde jedoch vom Tode Madame Adelaides, der Schwester König Louis Philippes, überschattet. Die Stadt versank in Trübsinn. Der Hof ging augenblicklich in tiefe Trauer. Veranstaltungen wurden abgesagt. Schwarz zierte die Fenster der Häuser und Läden. Die Stoffläden wurden überschwemmt von der Nachfrage nach Stoffen in den Trauerfarben Schwarz und Lila, Grau und Lavendel. Die Modisten und die Näherinnen, die in den schlecht beleuchteten Hinterzimmern von Paris für sie arbeiteten, nähten wochenlang die Nächte durch, um den Bedarf an Trauerkleidung zu stillen. Weil Angeline ganz entfernt mit der königlichen Familie verwandt war, wurden für die Männer im ruthenischen Haus schwarze Armbinden bestellt und zwei dunkelgraue schwarzumrandete Kleider für jede Dame, eins für den Tag und eines für den Abend.
    Nach dem plötzlichen Wegfall aller Amüsements war man im

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