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Zigeunerprinz

Titel: Zigeunerprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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Zigeuner quer durch den Raum auf ihn zu kam. Luca salutierte, und Roderic nahm das nickend zur Kenntnis, aber es gab keine fröhliche Begrüßung.
    Allerdings auch keine Verdammung. Mit leiser, aber eindringlicher Stimme fragte Roderic: »Warum bist du hier?«
    »Ich gehöre zur Truppe«, erklärte Luca mit hoch erhobenem Kopf. Die zurückgezogenen Schultern verrieten seinen Zigeunerstolz. Er trug seine Uniform, die vollkommen unbefleckt war.
    »Du hast uns einmal verlassen. Welchen Grund hast du zurückzukehren ?«
    »Sie wissen, was in der Stadt vor sich geht: die Märsche, die Pflastersteinbarrikaden in den Straßen. Im Lager war zu hören, daß die Nationalgarde, die die Unruhen eigentlich unterdrücken sollte, ihre Gewehre fortgeworfen und sich den Reformisten angeschlossen hat. Außerdem ist uns zu Ohren gekommen, daß ein Mann, dem Sie mit Grund mißtrauen, de Landes, Männer um sich schart. Er kauft Ganoven, Abschaum, Männer, die für Geld alles tun. Er prahlt, daß er eine Armee braucht, mit der man einen Palast angreifen kann. Sie sind mein Prinz, Sohn des Boyaren. Sie brauchen mich vielleicht. Hier bin ich.«
    Ein trockenes Lächeln zuckte um Roderics Mund. »Man sagt zu Recht, daß Prinzen keine Dankbarkeit kennen. Ich kann dir nicht die Hand meiner Schwester im Tausch für deine Gefolgschaft versprechen.«
    »Das erwarte ich auch nicht.« Der Blick des Zigeuners zuckte kurz zu Juliana hinüber und richtete sich gleich wieder auf den Prinzen. Seine Miene war leidenschaftslos, ohne Hoffnung, aber auch ohne Resignation.
    »Wenn ich dir den Auftrag gebe, mir den Rücken freizuhalten, woher will ich wissen, daß du diesen Posten nicht verläßt und zu den Zelten der Zigeuner zurückkehrst?«
    »Bei Ihnen habe ich mich an ein schnelleres Leben gewöhnt, an eiliger fliegende Gedanken und an nutzvoll verbrachte Tage. Ich bin so süchtig nach diesen Dingen wie ein Opiumsüchtiger nach dem Saft des Mohnes. Deshalb, und um Ihretwillen, werde ich nicht länger Zigeuner sein.«
    Roderic starrte ihn an, wog seine Worte ab und musterte den ruhigen Glanz seiner Augen. Schließlich sagte er: »Du wirst immer ein Zigeuner bleiben - und so sollte es auch sein. Willkommen, Luca.«
    Er streckte die Hand aus, und der Zigeuner ergriff sie. Die Truppe brach in Jubel aus, drängte sich um sie, schlug beiden auf den Rücken und hieb ihnen auf die Schultern. Juliana, die all dem zusah, gab einen leisen, gepreßten Laut von sich. Mit einem Blick voll eisiger Verachtung sprang sie auf und verließ den Raum. Luca schaute ihr nach, folgte ihrem Abgang mit düsterem Blick, machte aber keine Anstalten, ihr nachzulaufen.
    Am nächsten Tag, dem dreiundzwanzigsten Februar 1848, beugte sich Louis Philippe dem Willen der Menschen auf den Straßen von Paris, wenn nicht dem seines Volkes, und entließ seinen Außenminister und engsten Vertrauten, Francois
    Guizot. An seiner Statt ernannte der König einen Mann mit reformistischen Neigungen, Comte Mole.
    Die Nachricht erreichte den wütenden Pöbel nur mit Verzögerung. Später am Abend versammelten sich die Menschen vor Guizots Haus am Boulevard des Capucines, wo sie Parolen riefen und Fackeln schwenkten. Das Militär war gerufen worden, um den ehemaligen Minister und seinen Besitz zu schützen. Nervös befingerten die Soldaten ihre Waffen, während die Menge immer weiter anwuchs und lauter wurde. Beleidigungen wurden ihnen entgegengeschleudert, Steine, faules Obst und Eier ebenso. Ein Mann in der grölenden Menge schwenkte eine Pistole. Ob zufällig oder absichtlich, die Pistole ging los. Die Soldaten feuerten eine Salve direkt in die Menge. Die Menschen rannten auseinander, schrien, halfen den Verletzen zu fliehen. Auf dem Pflaster blieben neben den fallengelassenen Fackeln die Leichen von zwanzig Männern und Frauen zurück.
    Die Reformisten bezeichneten sie als Märtyrer, die Bonapartisten erklärten sie zu Narren, die Legitimisten freuten sich über das Bauernopfer, doch der Orleanist weinte vor Zorn, als fünf der Toten über die Straße gerollt wurden, denn er erkannte, daß sie das Ende symbolisierten.
    Innerhalb von vierundzwanzig Stunden trat Louis Philippe, König der Franzosen, unter dem Druck des Volkes auf der Straße und seiner eigenen Söhne ab. Zu seinem Nachfolger erklärte er seinen Enkel, den Comte de Paris, und seine Schwiegertochter, die Duchesse d'Orleans, zur Regentin. Da er die grobe Lektion gelernt hatte, welche die Exekution von Ludwig XVI. und Marie Antoinette

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