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Zigeunerprinz

Titel: Zigeunerprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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würde kommen, wenn es fertig war. Schreienden Wickelkindern wurde sogleich die Brust gegeben, oder man fütterte sie mit in Wein oder Ziegenmilch getränktem Brot und kleinen Fleischfetzen, bevor man sie ins Bett legte. Die Älteren schliefen fast im Sitzen ein. Das Leben war dazu da, gelebt zu werden. Wer wußte schon, was die nächste Stunde bringen mochte? Laßt die Musik spielen! Tanzt! Singt! Mara, die alldem zusah, erschien es wie eine verlockende Philosophie.
    Sie hörte nicht, wie der Prinz zurückkehrte. Ob seine Ankunft tatsächlich so leise vor sich gegangen war, wie es ihr vorkam, oder ob sie ganz in der Musik und dem Tanz verloren gewesen war, wußte Mara nicht zu sagen. In einem Augenblick war sie allein, im nächsten saß er neben ihr.
    Man bereitete ihm keinen besonderen Empfang. Seine Anwesenheit wurde als etwas Natürliches hingenommen, so als wäre er einer der ihren. Das überraschte Mara. Sie hatte irgendeine Begrüßung erwartet, eine Ehrenbezeugung. Später hatte sie Gelegenheit, ihn danach zu fragen, als das Geflügel aufgeschnitten und herumgereicht wurde und das Lager während des Essens verstummte.
    »Ich bin der Sohn des Boyaren«, sagte er. »Welche Ehre sollte man mir deswegen erweisen?«
    »Das weiß ich nicht, da ich keine Vorstellung habe, was ein Boyar sein könnte.«
    »Wo ich herkomme, ist der Boyar der Eigentümer, der Herrscher. Es ist der Titel, mit dem mein Vater über diese Leute herrscht.«
    »Er besitzt sie?«
    »Niemand kann einen Zigeuner besitzen; darin haben sich die alten Boyaren getäuscht. Aber weil der Vater meines Vaters und dessen Vater zuvor für ihre Vorfahren sorgten, ihnen zu essen gaben und sie kleideten und ihnen Arbeit verschafften und sie dennoch kommen und gehen ließen, wie es ihnen gefiel, erkennt diese Sippe unseren Titel immer noch an. Er ist wenig mehr als eine Erinnerung an längst vergangene Privilegien und alte Loyalität.«
    »Aber wenn diese Sippe, wie es den Anschein hat, aus Ihrem Land stammt, was macht sie dann hier in Frankreich?«
    Der Blick, den er ihr schenkte, war vollkommen undurchdringlich. »Sie sind Wanderer, Gesetzlose, Opfer mit hungrigem Herzen, und sie kommen und gehen. Brauchen sie einen Grund?«
    »Ich dachte, sie wären vielleicht hier, weil Sie hier sind.«
    »Warum? Sind Sie etwa deshalb hier?«
    Mit tödlicher Sicherheit hatte er sein Ziel getroffen. Die Worte schnitten ihr wie ein Degen durch die Brust, aber sie kannte diesen Mann inzwischen gut genug, um zu wissen, daß sie jederzeit einer Attacke gegenwärtig sein mußte. Plötzlich jedoch hatte sie keinen Hunger mehr. Sie beugte sich vor, um Dämon, der zu ihren Füßen lag, die Reste ihres Gänseflügels vorzulegen. Der Hund schaute von dem Flügel auf sie, als zweifelte er an seinem Glück, dann verbellte er einen herbeischleichenden dürren Zigeunerhund und begann, an dem Knochen zu nagen.
    Mara richtete sich wieder auf und zog ihre Brauen ernst zusammen. »Warum sagen Sie so etwas? Soweit ich weiß, bin ich nicht aus freien Stücken gekommen. Oder haben Sie etwas Schlechtes über mich erfahren? Gehöre ich zu jener Art von Frauen, die bisweilen einem Mann einen heimlichen Besuch abstatten?«
    »Eine Kurtisanin mit samtenem Lächeln und seidener Haut? Eine Dirne mit offener Hand? Das glaube ich nicht. Aber diese Frauen sind nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen, und jene, die sich hinter einer respektablen Fassade verbergen, sind oft die schlimmsten.«
    »Wie bezeichnend für einen Mann, jene Frauen zu verdammen, die - die nur tun, was sie tun müssen.«
    Er legte den Kopf zur Seite. »Sie würden sie verteidigen?«
    Sie sah sich in verbalem Treibsand versinken und suchte vergeblich nach einem Weg, sich wieder zu befreien.«Das -das nicht. Ich zweifle nur das Recht der Männer an, über
    Frauen zu urteilen, die gemäß der von Männern aufgestellten Regeln leben müssen.«
    »Eine weitere Advokatin der Frauenrechte. Unsere George wird entzückt sein.«
    »Wer?«
    »George Sand, auch und gegen ihren Willen als Madame Dudevant bekannt. Sie müssen sie kennenIernen.«
    Ohne ihr Zeit für eine Antwort zu geben, stand er auf. Mit ruhiger, aber tragender Stimme erteilte er Befehle. Seine Leute schauten auf. Die meisten hatten noch ihr Essen in Händen. Niemand rührte sich. Auch die Zigeuner beobachteten reglos das Schauspiel. »Ihr habt mich recht verstanden«, sagte der Prinz in sanftem Tonfall, »es sei denn, die Taubheit grassiert unter euch.«
    Augenblicklich

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