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Zigeunerprinz

Titel: Zigeunerprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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gefragt, ob der Prinz sie nicht absichtlich betrunken gemacht hatte. Eine solche Taktik, meinte sie, wäre ihm durchaus zuzutrauen. Oh, natürlich würde sie ihn von dem Verdacht freisprechen, sich auf diese Weise eine Frau zu Willen zu machen - ein Mann von seiner Gestalt und mit seinem Titel hatte solche Mittel nicht nötig. Nichtsdestotrotz war ihm eine Skrupellosigkeit zu eigen, die vermuten ließ, daß er nicht allzu viele Hemmungen hatte, auch auf ungewöhnliche Weise Informationen zu sammeln, wenn es die Situation erfordern sollte. Der Gedanke löste in ihr das Gefühl unangenehmer Verletzlichkeit aus.
    Roderic nutzte aber auch, vermutete Mara, konventionellere Methoden der Informationsbeschaffung. In den wenigen kurzen Stunden, die sie auf gewesen war und sich umgesehen hatte, war ein nicht abreißender Strom von Besuchern gekommen, um den Prinzen zu sehen. In die offizielle ruthenische Botschaft waren Männer mit der ernsten und pompösen Miene von Staatsmännern und Finanziers gekommen sowie Damen in Pelzmänteln, die Schleppen eleganter Seidenkleider und Wolken teuren Parfüms hinter sich herzogen. Solche Besucher waren unverdächtig und wurden im Großen
    Salon empfangen, der am Haupteingang lag. Aber was war mit den Autoren mit tintenfleckigen Fingern, den Künstlern mit offenen Halstüchern, wie es der romantischen Mode entsprach, den Straßenkehrern, Fischverkäufern, Kutschern, schwarzbefrackten Obern und kleinen Näherinnen in ihren billigen grauen Kleidern, deretwegen sie grisettes genannt wurden? Welche Dienste konnten diese Leute schon leisten -abgesehen von dem, was sie Roderic erzählten? Aus welchem Grunde sollte er auf ihre Informationen erpicht sein, es sei denn, er wollte das Rätsel lösen, das sie darstellte?
    Vielleicht nahm sie sich selbst zu wichtig. Es war zweifelhaft, daß ein Mann wie der Prinz so viele Umstände machte, um die Identität einer Frau zu enthüllen. Sie konnte sich nicht mit der Illusion schmeicheln, daß sie ihn in ihren Bann geschlagen hatte. Sie hatte ihn kaum mehr als neugierig gemacht. Vielleicht hatte es einen kurzen Augenblick gegeben, in dem er von ihr angezogen wurde, aber kurz danach hatte sie wieder nur Irritation und Ärger gespürt. Sie hatte nicht das Gefühl, daß sich an solch winzigen Reaktionen eine große Leidenschaft entzünden konnte.
    Natürlich war sie nicht mehr sicher, ob sie sich diese Leidenschaft überhaupt ersehnte. Ihre Instruktionen hatten gelautet, Roderic zu betören, damit er sie nach Paris mitnahm und sie in seinem Haus wohnen ließ. Man hatte erwartet, daß sie gezwungen sein würde, das Bett mit ihm zu teilen, um das zu erreichen. Das war nicht geschehen. Man hatte ihr nicht erklärt, welchem Zweck ihre Anwesenheit diente, außer daß sie ein Instrument darstellen sollte, das den Prinzen in die Ränke de Landes' verwickeln sollte. Es war durchaus möglich, daß sie ihr gestecktes Ziel erreichen konnte, ohne tatsächlich mit dem Prinzen intim zu werden.
    Aber machte das einen Unterschied? Mara war, obwohl sie in aller Unschuld aufgewachsen war, Realistin. Sie war nicht so töricht zu glauben, daß sie aus dieser Episode unbeschadet hervorgehen konnte. Man kannte sie kaum in Paris; dennoch gab es genug Menschen, denen sie begegnet war und die sie bestimmt wiedererkennen würden. Wenn sie lange genug bei Roderic blieb, würde sie früher oder später jemandem begeg-nen, der sie erkannte und die unausweichliche Schlußfolgerung zog.
    Vielleicht geschah das erst, nachdem sie getan hatte, was sie tun mußte - sie hoffte um ihrer Großmutter willen, daß es so sein mochte. Aber wenn es früher geschah, wenn man entdeckte, daß sie in Paris und nicht, wie ihre Cousine glaubte, mit ihrer Großmutter auf dem Land war, dann würde es einen Riesenskandal geben. Paris war, trotz seines kosmopolitischen Gehabes, in manchen Dingen ausgesprochen provinziell. Der Anschein von Tugend mußte gewahrt werden. Manche wetterten gegen die bourgeoise Moral, die sich mit dem Aufstieg der Mittelklasse nach der Revolution herausgebildet hatte und seitdem jedes Jahr strenger wurde. Aber das nutzte nichts. Eine Frau, die ihren guten Ruf bewahren wollte, durfte nicht mit einem Mann unter einem Dach leben, vor allem nicht mit jemandem wie dem Prinzen.
    Sobald die Neuigkeit die Runde machte, würde sie ohne jede Verzögerung New Orleans erreichen. Mara mochte sich gar nicht vorstellen, was ihr Vater tun oder denken würde. Was sie selbst später tun sollte, wie und

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