Zigeunerprinz
den Männern, die sich von einer Frau beeinflussen lassen, gleichgültig, wie eng seine Verbindung mit ihr ist.«
»Alle Männer hören auf ihre Geliebten, vor allem, wenn die Affäre frisch und die Frau klug ist.«
»Sie verstehen nicht. Der Prinz schöpft Verdacht. Er glaubt nicht, daß ich mein Gedächtnis verloren habe, das weiß ich genau. Ich fürchte, er hat mich bloß nach Paris gebracht, um mich zu überwachen. Es wird nicht gelingen!«
»Sie müssen dafür sorgen, daß es gelingt. Sie können es, wenn Sie Ihre jungfräuliche Schüchternheit und Ihre törichten Ausflüchte vergessen. Ich versichere Ihnen, daß dem so ist, denn selbst ich spüre Ihre Anziehungskraft.«
Sie schenkte ihm einen angewiderten Blick. »Ich kann das nicht tun, ich kann es nicht!«
»Sie müssen sich stählen.« Seine Stimme war schneidend, und seine blasse Haut hatte eine rötliche Färbung angenommen, weil sie sein Kompliment so offensichtlich übergangen hatte. »In etwa zwei Wochen muß der Prinz an einem Ball teilnehmen, den die Vicomtesse Beausire gibt. Es ist Ihre Aufgabe sicherzustellen, daß er kommt. Sie wissen, welche Konsequenzen drohen, falls Sie versagen.«
»Aber wie - ich kann nicht -«
»Er wird eine Einladung erhalten. Sie werden dafür sorgen, daß er sie annimmt.«
»Vielleicht nimmt er sie ohnehin an. Möglicherweise brauche ich gar nicht einzugreifen.«
»Vielleicht wird er sie aber auch ausschlagen. Prinz Roderic ist dafür bekannt, sehr wählerisch und äußerst sensibel in politischen Dingen zu sein, wenn es darum geht, eine Gastgeberin mit seiner Anwesenheit zu beehren. Und er muß diesem Anlaß beiwohnen. Ich verlasse mich auf Sie.«
»Handelt es sich also um etwas Politisches?« wollte Mara wissen.
De Landes ignorierte die Frage. »Sie werden außerdem dafür sorgen, daß der Prinz zum richtigen Zeitpunkt eintrifft und daß er an der richtigen Stelle steht. Ich werde mich später mit Ihnen in Verbindung setzen, um Ihnen zu sagen, wo und wann.«
»Aber wie soll ich das schaffen, wenn ich nicht dabei bin?«
»Sie werden dabei sein. Zu diesem Anlaß wird ein Mann seine Geliebte mitnehmen können, wenn es ihm beliebt.«
»Was ist, wenn man mich erkennt?«
»Dann wird das keinen Unterschied mehr machen.«
»Für Sie und Ihre Pläne vielleicht nicht, aber für mich -«
»Das ist unwichtig. Hier steht viel mehr auf dem Spiel als Ihr guter Ruf, meine Liebe.«
»Was denn? Was haben Sie vor? Warum muß ich den Prinzen auf diesen Ball bringen?«
»Es ist weder notwendig noch ratsam, daß Sie das wissen. Sie brauchen sich nur darüber im klaren zu sein, was Madame Helene und Ihnen widerfahren wird, wenn Sie meine Instruktionen nicht genauestens befolgen.«
»Aber ich -«
»Das muß genügen. Vergessen Sie nicht, was ich Ihnen gesagt habe. Sie haben nur zwei Wochen. Nutzen Sie sie gut.«
Der Verkäufer namens Worth kehrte zurück. De Landes verbeugte sich, lächelte höflich, als hätte er ihr nur guten Tag gewünscht, drehte sich dann um und spazierte davon.
Ihre Hände zitterten, sie bebte am ganzen Leibe. Nur mit äußerster Willensanstrengung konnte sie ihren Einkauf beenden. Bis sie Weisungen erteilt hatte, wohin die Ware geschickt werden sollte, war Luca zurückgekehrt, und die gemietete Droschke wartete. Sie hatte das Gefühl, daß Worth sie erstaunt anblickte, als sie die Adresse des ruthenischen Hauses niederschrieb, aber es half nichts. Sie wandte sich ab und gestattete dem Zigeuner, sie aus dem Laden zu führen.
Ein Strom von Kutschen aller Formen und Bauarten, von Wagen, Lastkarren und Handwagen schob sich durch die schmalen Straßen der Stadt. Kutscher fluchten, Peitschen knallten, Pferde wieherten, Menschen brüllten aus den Fenstern die Kutscher oder Insassen anderer Droschken an. Eisenbeschlagene Räder klingelten, wenn sie über das unebene Kopfsteinpflaster rollten. Die Fahrt in der Droschke war so holprig, daß sich Mara ständig an der Halteschlaufe festhalten mußte, und die Kutsche war so langsam, daß das Vehikel ständig von Fußgängern überholt wurde, die sich unbekümmert durch den Verkehr schlängelten.
Luca hatte, statt bei Mara zu sitzen, neben dem Kutscher Platz genommen. Endlich allein und unbeobachtet, versank Mara in Gedanken. Welchen Grund konnte de Landes haben, soviel Wert darauf zu legen, daß der Prinz auf einem Ball der kleinadligen Vicomtesse Beausire erschien? Die einzig mögliche Erklärung war für Mara eine Vendetta. Ansonsten ergab alles keinen
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