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Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Titel: Zigeunerstern: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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zwischen meinen Fahrten oft dort. Und wir sprachen davon, dass wir gemeinsam dort leben würden, für immer, wenn ich einmal das Explorationsgeschäft aufgeben würde. Als wäre es mir gegeben, jemals für immer an ein und demselben Ort zu leben! Aber ich glaubte eben, dass ich es könnte. Damals. Einmal verbrachten wir fast ein ganzes Jahr dort. Das war damals, als Shandor geboren wurde. Bei Shandor habe ich noch nicht einmal die Entschuldigung des enttäuschten Vaters, ich konnte nicht einmal so tun, als sei er nicht der wahre Sohn meiner Gene, denn ich verbrachte dieses ganze Jahr ununterbrochen mit Esmeralda. Also, ich meine damit natürlich nicht, dass ich glaube, sie hätte jemals mit anderen herumgespielt, während ich fort war … aber es gab Zeiten, in denen es mir beinahe angenehm gewesen wäre, hätte ich mich als Hahnrei verstehen können, als betrogener Ehemann, um nicht die Schuld für Shandors Existenz tragen zu müssen. Aber – leider, leider, dieser widerliche kleine Mistkerl entsprang aus Genen von mir, ohne dass eine Ausflucht denkbar wäre. Und darum kommt man eben nicht herum, und muss es anerkennen.
    Und ich, ich liebte ihn maßlos. Auch das ist wahr. Und wie hat er es mir gedankt … aber ich liebte ihn.
    Wild war er von Anfang an. Ein zappeliges kleines Kerlchen, das beständig brüllte, mit den Füßen stieß und biss. Ich weiß nicht, woher er diese Nervosität hatte. Von mir gewiss nicht, und der Himmel weiß, auch Esmeralda war niemals nervös. Doch unser Shandor war von Anfang an immer wie unter Hochspannung.
    Ganz zu Anfang fiel mir das noch nicht so auf. Ich glaubte, er sei genauso wie ich, sein exaktes Abbild. Denn er hatte meine Augen, meinen Mund, genau mein Gesicht, dieses klassische Zigeunergesicht, das wie ein unbesiegbarer Surfer durch sämtliche wilden Gezeiten der evolutionären Veränderung dahingleitet. Und als er sechs Jahre alt war, erwartete ich sogar, dass er auch meinen gewaltigen Schnurrbart sprießen lasse. Ich vermute, ich liebte ihn wegen dieser starken Ähnlichkeit zu mir selbst. Diese Ähnlichkeit mit meinem Vater, mit allen männlichen Ahnen meines Vaters. Wenn ich meinen erstgeborenen Sohn betrachtete, sah ich mich auf einmal in einem ganz neuen Licht: ich war ein Glied in der gewaltigen Kette unserer Existenz als Roma, dieser Kette, die sich von den Tagen der Zigeunersonne an durch die Äonen spannt. Wie hatte ich es wagen dürfen, so lange damit zu warten, dieses neue Kettenglied zu schmieden? Und was würde sein, wenn ich gestorben wäre, ohne dass ich meine Aufgabe erfüllt hatte, ohne mein Teil dazu beizutragen, dass die Vergangenheit an die Zukunft geknüpft werde? Nun, dies hatte ich immerhin jetzt getan, und ich fühlte mich stolz; und ich empfand Shandor gegenüber Dankbarkeit, weil er es mir möglich machte, meine Verpflichtungen unserer Rasse gegenüber zu erfüllen. Das war aber in der Zeit, bevor ich entdeckte, was für ein lausiger Dreckskerl er war.
    Wie konnte er sich so schlimm entwickeln? War meine zu häufige, zu lange Abwesenheit daran schuld? War Esmeralda, Segen über sie, zu sanft und nachgiebig, um ihm Zucht und Ordnung beizubringen, wie dies jeder Junge braucht? Ich weiß es nicht. Ich glaube aber, dass es überhaupt nicht an der Erziehung lag, sondern dass ganz einfach ein Fluch auf dem Samen ruhte, aus dem er gezeugt wurde. So etwas geschieht. Wann immer ich zu Hause bei der Familie war – wir lebten damals überwiegend auf Xamur –, widmete ich ihm stets meine ganze Aufmerksamkeit. Ich lehrte ihn das, was mein Vater mich gelehrt hatte, und wenn es mir nötig zu sein schien, ihn zurechtzustauchen, dann tat ich es, wie es die Pflicht eines Vaters ist. Und während meiner Abwesenheit waren da ja die anderen Männer der Familie, seine Onkel und die Vettern, die ihn auf den rechten Weg lenkten konnten. Von Esmeralda widerfuhr ihm unablässig zärtliche Liebe. Wo gab es denn eine bessere Mutter als sie? Und dennoch erfuhr ich mit der Zeit mehr und mehr Shandorgeschichten, wenn ich von den Sternen heimkehrte. Ich vermute, sie verheimlichten mir seine schlimmsten Missetaten, aber was mir zu Ohren kam, war schlimm genug. Die ihm anvertrauten Pflegetiere, die er misshandelte oder sogar verstümmelte. Die herablassende Unverschämtheit gegenüber den Dienstboten. Die Schäden, die er bei den Haushaltsrobotern anrichtete, die ja schließlich nicht gänzlich empfindungslos waren. Die gefühllose Brutalität, mit der er seine Spielgefährten und

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